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       # taz.de -- Sendung über Kirche und Pop in der DDR: Pater Punk
       
       > Der RBB zeigt in der Doku „Kirche, Pop und Sozialismus“, wie eng
       > religiöse Institutionen und Subkulturen in der DDR miteinander
       > verflochten waren.
       
   IMG Bild: Punks während einer Mahnwache für politische Gefangene vor der Gethsemane-Kirche in Ost-Berlin.
       
       Rudolstadt, Thüringen, Juni 1986: 600 bis 800 jugendliche Musikfans fallen
       in ein 20.000-Einwohner-Städtchen ein. Darunter um die 100 „Punker“-Leute,
       die einen Musik- und Lebensstil verfolgen, der nicht den Normen des „1.
       Arbeiter- und Bauernstaats auf deutschem Boden“ entspricht.
       
       Die Staatsmacht ist alarmiert – zumal das Treffen „Jugend 86“ auf Einladung
       eines Vereins stattfindet, der der Deutschen Demokratischen Republik
       feindlich gesinnt ist: der evangelischen Kirche.
       
       Popmusik, Subversion und Kirche? Vom Westen aus betrachtet war diese
       Kombination Mitte der 1980er Jahre so unmöglich wie heute. Aber im Osten
       des geteilten Deutschlands waren die Verhältnisse anders.
       
       Dort fand zusammen, was irgendwie gegen das System der Sozialistischen
       Einheitspartei war: Von – gläubigen – Freunden des damals noch hemmungslos
       „geistliche Negermusik“ genannten Gospel über „westlich-dekadente“ Jazzer,
       langhaarige Blueser, kritische Liedermacher bis hin zu renitenten Punks.
       Und das oftmals unter dem Dach der einzigen Institution in der DDR, die vom
       Staat unabhängig war: der Kirche.
       
       ## Notizen zur Popkultur
       
       Auf der anderen Seite machte sich die Staatssicherheit nicht nur ein paar
       Notizen zur Popkultur in dem Land, das sie als das ihre begriff. Heute wird
       das „Schwert und Schild der Partei der Arbeiterklasse“ meist fast
       verniedlichend „Stasi“ genannt.
       
       Dabei fällt allzu oft unter den Tisch, dass der auch „VEB Horch und Guck“
       genannte Geheimdienst Menschen abhörte, beschattete, verhaftete, ins
       Gefängnis steckte – und sozial vernichtete. Und dass als Grund dafür ein
       von der Norm abweichender Musikgeschmack reichte.
       
       Die Geschichte der DDR-Popmusik, ihrer Subkulturen und der staatlichen
       Subversion gegen beide erzählen in „Im Namen des Herren. Kirche, Pop und
       Sozialismus“ Musiker, Fans und Pfarrer.
       
       Zusammengestellt haben den Dokumentarfilm zwei Schwergewichte der
       kritischen DDR-Forschung: Michael Rauhut, Blues-Fan der ersten Stunde,
       Musikwissenschaftler, Chronist der DDR-Popszene und Professor für Popmusik
       an der Universität Agder im norwegischen Kristiansand, sowie Tom Franke,
       dessen Firma Armadafilm schon so einige hoch interessante Filme zum Thema
       DDR produziert hat.
       
       Aus der Doku kann man eine Menge lernen. Zum Beispiel dass etablierte
       Kirchenbürokratien – ähnlich dem Urchristentum – Kirchen zu Räumen der
       Zusammenkunft machen können, wenn sie von staatlichen Subventionen befreit
       und stattdessen unter Druck gesetzt werden. Und bei der Gelegenheit wieder
       Pastoren hervorbringen, die diesen Titel auch verdienen.
       
       Und noch etwas. Ja, man soll nicht Äpfel mit Birnen vergleichen – aber sich
       gedanklich darauf einzulassen, dass NSA & Co. neben unseren privaten
       Gesprächen, politischen Meinungen, Kaufgewohnheiten und sexuellen
       Orientierungen auch unseren Musikgeschmack aus dem Internet lesen und
       daraus Rückschlüsse ziehen könnten, ist nicht nur erlaubt, sondern
       angesichts der historischen Erfahrungen folgerichtig.
       
       26 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rüdiger Rossig
       
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