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       # taz.de -- Kölns Trainer Peter Stöger: „Unsere Aufgabe ist die Analyse“
       
       > Der Trainer Stöger über die Euphorie rund um den 1. FC Köln, seinen
       > Schlüssel zum Erfolg im Fußball und rheinisch-österreichische
       > Gemeinsamkeiten.
       
   IMG Bild: „Die notwendige Grundsachlichkeit müssen wir hier im Verein pflegen“, sagt Peter Stöger und lebt es, abgesehen von seiner Brillenwahl, vor
       
       taz: Herr Stöger, nach dem 4:0 gegen Berlin im vorigen Heimspiel sprachen
       Sie von der bisher stärksten Saisonleistung, der 1. FC Köln war strahlender
       Tabellenführer, dann folgten die beiden ersten Niederlagen. Bekommen Sie
       langsam eine Ahnung von den gefürchteten Kölner Gefühlsausschlägen? 
       
       Peter Stöger: Eigentlich haben sich diese Wochen nicht viel anders
       angefühlt als die Phase davor. Die Leistungsdichte in der Liga ist hoch,
       die Spiele sind sehr knapp, es gab von Anfang an bessere und schlechtere
       Tage, das ist also jetzt kein extremes Wellental. In Wahrheit haben wir
       jetzt 15 Spiele gemacht und davon 8 nicht gewonnen. Wenn man so oft mal
       nicht gewinnt, dann gibt es noch eine Menge Arbeit.
       
       Aber Herr Stöger, Sie haben eine Mannschaft geformt, die plötzlich wieder
       von den Menschen geliebt wird, es gibt ein ganz neues Fußballgefühl in der
       Stadt. Verspüren Sie nicht manchmal Euphorie? 
       
       Meine Aufgabe ist, auf den Fußball zu schauen, auf die Trainingseinheiten,
       auf die Spiele, und entsprechend klingt dann auch meine Analyse.
       
       So nüchtern hat hier schon lange kein Trainer mehr über Fußball gesprochen.
       Ist das Ihre Strategie, um diesen wilden Fußballstandort zu bändigen? 
       
       Das ist gar keine Strategie! So denke ich, und so sehe ich Fußball. Das
       Umfeld kann gerne begeistert sein, die Leute stehen in einem Ausmaß zu
       diesem Klub, das ich überhaupt noch nie erlebt habe. Unsere Aufgabe besteht
       in der nüchternen Analyse. Wir haben sicher eine Mannschaft, die aufsteigen
       kann, wenn alles passt. Aber unsere Stabilität wird sich erst bewerten
       lassen, wenn es hier mal unruhiger wird.
       
       Nach dem Spiel gegen Union Berlin fragte ein Reporter dennoch ernsthaft,
       was den Klub denn jetzt noch stoppen könnte. Statt diesen Übermut zu
       bekämpfen, nehmen Sie ihn ernst, das ist neu … 
       
       … man kann so etwas nicht bekämpfen. Intern geht es für uns darum, nicht
       auf einen Hype aufzuspringen, aber ich würde nie auf die Idee kommen, das
       Denken der Menschen hier zu ändern. Die notwendige Grundsachlichkeit müssen
       wir hier im Verein pflegen.
       
       Das kommt an, die Leute in Köln mögen Sie, wie übrigens schon einige Ihrer
       Landsleute vor Ihnen: Toni Polster oder Stefan Maierhofer zum Beispiel.
       Passen Österreicher besonders gut nach Köln? 
       
       Vielleicht schon. Jedenfalls begebe ich mich gerne unter die Leute, ich
       fahre hier mit der Straßenbahn, gehe essen, trinke danach irgendwo einen
       Kaffee oder schaue mir ein Fußballspiel in einer Kneipe an. Die Wiener
       Seele mag ja Kaffeehäuser und eine gewisse Gemütlichkeit. Das ist mit dem
       Bedürfnis verbunden, unter Leute zu kommen, kommunikativ zu sein, und das
       passt anscheinend ganz gut zum rheinischen Menschenschlag.
       
       Aber Sie haben den 1. FC Köln auch in einem Moment übernommen, der kaum
       günstiger sein könnte. Die Leute hier sind demütig wie nie, und so viel
       guten Willen gab es auch lange nicht gegenüber diesem Verein. 
       
       Diesen Eindruck habe ich auch. Aber ich habe nie wirklich hinterfragt, was
       vorher alles war. Vielleicht sehe ich manche Dinge nicht so ganz negativ.
       Es hilft, dass ich von außen komme, als Österreicher habe ich vielleicht
       einen anderen Blick auf das Ganze. Und die negativen Dinge, die man sich
       über den 1. FC Köln erzählt, habe ich nie kennengelernt: unruhige
       Stimmungen, Querschüsse, mediale Geschichten, die nur negativ sind. Bisher
       war alles, was an Kritik kam, sachlich und richtig.
       
       Sie haben vor Ihrem Wechsel von Austria Wien nach Köln darauf verzichtet,
       mit Leuten wie Volker Finke, Wolfgang Overath oder Stale Solbakken zu
       sprechen, die zuletzt die dunkle Seite des FC erlebt haben. Warum? 
       
       Wenn ich das gemacht hätte, wäre doch klar gewesen, dass ich hier mit einem
       extrem negativen Gefühl angefangen hätte. Da hätte ich ein Feedback
       bekommen, das ich nicht brauche. Inzwischen bin ich aber schon so weit,
       dass mich so ein Gespräch interessieren würde, wenn ich irgendwo einem
       ehemaligen Kölner begegne.
       
       Haben Sie schon als Spieler davon geträumt, nach Deutschland zu kommen? 
       
       Irgendwann hatte ich mal ein Angebot von Eintracht Frankfurt. Aber in
       Österreich war ich immer bei Klubs, die im Europapokal gespielt haben, mit
       Austria Wien ging es darum, die Qualifikationsrunden zur Champions League
       zu überstehen. Das haben wir zweimal knapp nicht geschafft. Und mit Rapid
       Wien habe ich 1996 ein Europapokalfinale erreicht, das leider gegen Paris
       St. Germain verloren ging. Mit einem deutschen Klub hätte ich das
       wahrscheinlich nie geschafft.
       
       Sie haben in Österreich sehr viele Titel gewonnen, als Spieler und als
       Trainer, und Sie verwenden gerne den Begriff Siegergen. Haben Sie dieses
       Gen mit nach Köln gebracht? 
       
       Ich bin als Spieler viermal Meister geworden, dreimal Pokalsieger, und es
       gab am Ende oft Entscheidungsspiele gegen direkte Konkurrenten. Genau diese
       Spiele habe ich immer gewonnen. Das einzige Finalspiel, das ich verloren
       habe, war das Europapokalendspiel. Dann denkt man schon: Das ist kein
       Zufall. Wobei es in einem Mannschaftssport darum geht, in der Gruppe das
       Gefühl zu erzeugen, etwas mit aller Macht umsetzen zu wollen. Und das ist
       immer gelungen.
       
       Auch der FC scheint im Moment von einem solchen Gemeinschaftsgefühl
       beflügelt zu sein. Ist es eine Stärke von Ihnen, eine Gruppe so zu führen,
       dass sie besonders konstruktiv zusammenarbeiten kann? 
       
       Es ist mir zumindest wichtig. Was ich gar nicht mag, sind Störfeuer in der
       Gruppe. Das wissen die Jungs. Wenn jemand einen Konflikt mit mir ausficht,
       zum Beispiel, weil er zu wenig spielt, ist das kein Problem, aber mit
       solchen Dingen darf die Gruppe nicht belastet werden. Das ist ein ganz
       entscheidender Faktor, wenn es darum geht, Erfolg zu haben.
       
       Denken Sie angesichts der guten ersten Monate in Köln manchmal: „Geil, ich
       bin in Deutschland und habe hier eine funktionierende Mannschaft, die auch
       noch große Entwicklungspotenziale hat“? 
       
       So kann man das nicht sagen. Was mir Freude bereitet, ist, dass wir am Ende
       der Transferperiode die richtigen Spieler gefunden haben, um den Kader zu
       komplettieren: Marcel Risse, Daniel Halfar, Slawomir Peszko, Patrick Helmes
       und Anthony Ujah. Und natürlich freue ich mich, dass die Mannschaft sich
       entwickelt. Wobei wir unser Potenzial noch nicht stabil genug abrufen, aber
       wie die Gruppe sich entwickelt hat, ist bemerkenswert. Da sind wirklich
       viele dabei, die davon träumen, in der ersten Liga zu spielen, und zwar
       genau mit diesem Klub. Wenn wir nicht aufsteigen, dann wird das sicher
       nicht daran liegen, dass die Mannschaft ein zerstrittener Haufen ist. Der
       Aufstieg ist allerdings machbar, wenn wir unser Potenzial effektiv nutzen.
       
       25 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Theweleit
       
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