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       # taz.de -- Wandern in Peru: Mit Esel und Maultier in den Anden
       
       > Der Santa Cruz Treck ist der beliebteste Wanderweg durch den Nationalpark
       > Huascarán. Am Punta Unión führt der Weg auf 4.750 Meter hoch hinauf.
       
   IMG Bild: Trekking-Tour in in der Cordillera Blanca.
       
       Eine dünne Eisschicht überzieht das Zeltdach, Raureif bedeckt das Gras, die
       Ränder der Lagune Saquicocha sind gefroren und aus den Nüstern der Esel
       dampft der Atem. Über den schwarzen Steilwänden hinauf zum Pass Punta Unión
       steht morgens um 7 Uhr noch der fast volle Mond, hinter dem schneebedeckten
       Taullirajo im Osten leuchtet bereits die Sonne, aber ihre ersten Strahlen
       erreichen das Camp auf 4.300 Meter Höhe erst nach 7 Uhr. Epifanio, Koch und
       Wanderführer in der Cordillera Blanca, hatte schon gewarnt, nicht zu früh
       aufzustehen.
       
       „Hace frio“, sagte er, es ist kalt. Und da es in den Nächten zuvor auf dem
       Treck entlang des Camino Santa Cruz zwischen den 6.000ern der Cordillera
       Blanca auch schon kalt war, deutete die Warnung eindeutig auf „eiskalt“.
       
       Doch kaum sind wir aus dem Zelt, bringen Epifanio und der zweite
       Wanderführer Miguel Becher mit heißem Mate de Coca. Der Tee schmeckt nach
       Heu, wärmt aber und Coca ist in den Anden ein bewährtes Mittel gegen die
       Höhenkrankheit. Seit 4.000 Jahren kauen die Bewohner der Anden die grünen
       Blätter des Coca-Strauchs, regen damit den Kreislauf an und dämmen
       Müdigkeit und Hunger.
       
       Heute geht es hoch hinaus. Vom Camp zieht sich ein schmaler Pfad entlang
       mehrerer kleiner Lagunen. Nach den ersten 150 Höhenmetern endet der Pfad an
       einem bucklig ansteigenden Felsen. Mit ganz kleinen Schritten geht es
       weiter hinauf. Die geringste Schrittlänge suchend, steige ich über den
       glatten, aber griffigen Felsen, über Steinquader und schließlich über die
       Stufen einer alten Inka-Treppe, bis ich plötzlich im steinernen Tor im
       Durchbruch der Punta Unión auf 4.750 Metern Höhe stehe.
       
       Ich ringe nach Luft. Unter mir liegt die Lagune Arhuaycocha, über mir ragen
       die eisbedeckten Spitzen von Rinrijirca und Pucajirca. Der Santa Cruz Treck
       ist der beliebteste Wanderweg durch den Nationalpark Huascarán in der
       Cordillera Blanca im Norden Perus. Hier drängen sich die 6.000er, darunter
       der 6.768 Meter hohe Huascarán und der „schönste Berg der Welt“, der
       Alpamayo, mit 5.947 Metern.
       
       ## Wanderer müssen zelten
       
       Da auf den 40 Kilometern vom Parkeingang durch das Flusstal der Quebrada
       Huaripampa über den Durchbruch von Punta Unión bis zum Dorf Cashapampa
       keine Herbergen stehen, müssen Wanderer zelten.
       
       Den Weg können geübte und an die Höhe angepasste Wanderer problemlos gehen.
       Aber nicht jeder kann Zelt und Verpflegung für vier Tage schleppen. Zudem
       dürfen Einzelwanderer nur mit einem Ausweis einer Bergsteigerorganisation
       wie dem Deutschen Alpenverein allein Mehrtagestouren unternehmen. Daher
       wandern die meisten in Gruppen mit Führer, Koch, Eseltreiber und Eseln für
       das Gepäck.
       
       Seit Februar 2012 ist der Weg nur teilweise begehbar. In der stärksten
       Regenzeit hat eine Schlammlawine eine Lagune mit sich gerissen und den Weg
       entlang des Santa Cruz hinweggespült. Bis auf weiteres ist der Santa Cruz
       Treck daher ein Rundweg, denn bei Punta Unión müssen Wanderer umdrehen und
       zurück zum Ausgangspunkt beim Dorf Vaquería und dort den Minibus zurück
       nach Huaraz nehmen.
       
       Doch dahin führen viele Wege. Epifanio (43) liebt die Berge
       glücklicherweise ebenso wie gutes Essen und deswegen ist er auch allein
       tagelang in der Cordillera Blanca unterwegs und sucht nach begehbaren
       Hängen und Graten. Von Punta Unión führt er uns zielstrebig über Felsen und
       Hänge mit kniehohen Ichu-Grasbüscheln, durch Bäche und unter Wasserfällen
       hindurch. Pumas leben hier, Hirsche, Andenschakale und erstaunlich kleine
       Füchse. In den Felsen brüten Kondore und Adler. Menschen treffen wir in den
       vier Tagen keine, nicht einmal Flugzeuge ziehen am Himmel.
       
       ## Süßkartoffeln und Avocadosalat
       
       „Der Chakraraju hat ein Gesicht“, sage ich zu Epifanio, nachdem ich mit dem
       Fernglas am Ostabhang des in der Ferne stehenden 6.112 Meter hohen Massivs
       ein scharf geschnittene Profil mit markanter Nase ausgemacht habe. „Hmm,
       claro“, sagt er zustimmend und knabbert weiter an der gebratenen
       Hähnchenkeule, die er heute mit Süßkartoffel und Avocadosalat zum Mittag
       serviert hat. In einem Aluminiumtopf transportiert Epifanio jeden Tag das
       Mittagessen in seinem Rucksack und überrascht die vier Wanderer schon am
       ersten Tag mit Cebiche, dem peruanischen Nationalgericht aus rohem Fisch,
       Limetten und Chili.
       
       „Klar hat der Chakraraju ein Gesicht“, sagt er. Für seine Vorfahren waren
       die Berge heilig, jeder Berg war eine Gottheit, die die Menschen mit
       Opfergaben beruhigt und wohlgestimmt haben. Auch Miguel und Epifanio bitten
       vor jeder Wanderung um eine gute Zeit in den Bergen.
       
       Die Achtung vor den Bergen und den ehrfurchtsvollen Respekt vor der Natur
       hat Miguel (24) von seinem Großvater gelernt. Mit ihm ist er schon als
       kleiner Junge von seinem Heimatdorf hinauf auf die Berge der Cordillera
       gestiegen und hat die Wasserläufe und kleinen Kanäle so gelenkt, dass sie
       über die Felder des Dorfes laufen.
       
       ## Buntgestreifte Tücher
       
       Am Leben in den Dörfern der hohen Anden hat sich seit Miguels Kindheit
       nicht viel geändert, folgt man seinen Erzählungen, während wir durch
       Huaripampa am Eingang zum Nationalpark gehen. Wir gehen durch die Felder
       mit Kartoffeln, Bohnen, Mais oder Quinua, die links und rechts des Weges
       auf Terrassen liegen.
       
       Manchmal raschelt es oberhalb des Weges und für einen Moment schaut ein
       dunkles Gesicht mit Filzhut durch das Grün. Auf dem Weg begegnen uns Frauen
       in knielangen Röcken, ein bunt gestreiftes Tuch um die Schultern, in dem
       sie Brennholz, ein Kind, oder was sie sonst so zu transportieren haben,
       tragen.
       
       Zwischen den Chakras, den Feldern, stehen die aus Lehmziegeln gebauten
       Gehöfte, zu denen Wege aus flachen Steinen aus dem Fluss führen. Aus
       Huaripampa stammt auch Humberto, der die Zelte auf- und abbaut und das
       Gepäck auf drei Eseln und zwei Mauleseln transportiert. Abends serviert er
       Quinuasuppe und gebratene Forelle, wobei er elegant „Señorita“ sagt. Macht
       man einen Scherz über die Forellen und die Angelkünste von Epifanio, klingt
       Humbertos Lachen, als käme es direkt aus den Tiefen des Chakraraju, dunkel
       und vertrauensvoll, in völligem Einklang mit dem Hier und Jetzt.
       
       23 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrike Fokken
       
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