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       # taz.de -- NSU-Prozess in München: Gorleben war ihr Ding
       
       > Ein Ex-Führungskader der Kameradschaft Jena redet vor Gericht den
       > Einfluss von Zschäpe klein – und nennt „Atompolitik“ als ein Thema des
       > Trios.
       
   IMG Bild: Dreh dich nicht um: Beate Zschäpe und Verteidiger im Oberlandesgericht München.
       
       MÜNCHEN taz | Im Saal A 101 war André Kapke redselig. Im NSU-Verfahren vor
       dem Oberlandesgericht München hätte der frühere führende Kader der
       Kameradschaft Jena (KSJ) auch weniger auskunftsfreudig auftreten können.
       Doch er redete: über das NSU-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate
       Zschäpe, über die Szene.
       
       Kapkes Intention wurde am Donnerstag schnell deutlich: Den Einfluss von
       Zschäpe innerhalb des Trios spielte er herunter, sie sei kein „maßgeblicher
       Faktor“ gewesen. Den Organisationsgrad der Kameradschaften verharmloste er:
       „Ein loser Kreis von Personen.“ Am Vormittag löste eine Aussage von Kapke,
       der sich innerhalb der Kameradschaft „Führer“ nennen lies, gar Gelächter
       aus.
       
       Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl nach den
       vorherrschenden Themen in der Gruppe antworte der 38-Jährige, dass die
       „Atompolitik“, Gorleben, ihr Thema war. Götzl fasste nach: „Soll ich das so
       verstehen, das Gorleben das maßgebliche Thema war?“ Ja, sollte er. Selbst
       die Generalbundesanwaltschaft musste lachen.
       
       Kapke, der seit Anfang der 90er Jahren schon mit dem Trio eng verbunden
       war, bemühte sich immer wieder, die politischen Aktivitäten und Strukturen
       klein zu reden. „Es gab keine Strukturen“, sagte er und betonte,
       Gruppennamen wären „halt Namensflosken“. Er räumte aber ein: Vor allem mit
       den Mitbeschuldigten Ralf Wohlleben und Holger Gerlach früh eine
       „freundschaftliche Verbindung“ gehabt zu haben. In dem Jugendtreff
       „Winzerclub“ will er Zschäpe kennen gelernt haben.
       
       ## Anschuldigungen gegen Jenaer „Junge Gemeinde“
       
       „Böhnhardt kannte ich schon“, sagte er weiter. Mundlos wäre ihm in der
       gleichen Zeit bekannt geworden. Dass sie alle bei der Kameradschaft Jena
       und beim „Thüringer Heimatschutz“ (THS) aktiv waren, spielte er herunter.
       Stattdessen führte Kapke lieber aus, dass die evangelische
       Jugendorganisation „Junge Gemeinde“ sie angegriffen hätte.
       
       Seine Aussagen erinnerten an den Text eines Flugblatts des THS von 1998, in
       dem sie dem Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König vorwarfen, unter dem
       Deckmantel der kirchlichen Jugendarbeit die „gewaltbereite linksautonome
       Szene“ zu unterstützen. In dem Jahr, 1998, leitete Kapke selbst allerdings
       einen unangemeldeten Aufzug mit 50 Rechtsextremen unter dem Motto: „Liebe
       predigen, Hass schüren!“. Die Polizei verhinderte einen Angriff der
       Demonstranten auf das Haus der Evangelischen Gemeinde.
       
       Im Saal A 101 betonte Kapke aber, Gewalt im politischen Kampf abzulehnen.
       Die Bombenattrappen, die das Trio vor ihrem Abtauchen in Jena platzierten,
       wären für ihn „jugendliche Spinnereien“ gewesen und „kontraproduktiv“. Die
       beiden „Uwes“ beschrieb er als nett – „freundlich-lustige Menschen“.
       Mundlos wäre intelligent und charakterstark gewesen. Böhnhardt hätte ein
       „Faibel“ für Waffen gehabt. Zu Zschäpe sagte er: „Sie hatte schon ihre
       eigene Meinung und konnte die auch in einer gewissen Art kundtun.“ Von
       Einfussnahme sprach er nicht.
       
       Nach dem Untertauchen des Trios hätte sich der spätere V-Mann Tino Brandt,
       Kopf des THS, an ihn gewandt um den Dreien zu helfen. Brandt hätten ihm
       einen Kontakt vermittelt, der gefälschte Pässe für das Trio besorgen
       sollte. Brandt soll Kapke auch zum dem stellvertretenden NPD-Vorsitzenden
       Frank Schwerdt geschickt haben. Schwerdt hat schon 2012 in einem
       Fernsehinterview bestätigt, dass es ein Treffen mit Kapke gegeben habe.
       Schwerdt habe dem Trio jedoch weder helfen können noch wollen.
       
       21 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Speit
   DIR Andrea Röpke
       
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