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       # taz.de -- Zeugenvernehmung im Wulff-Prozess: Der diskrete Bayerische Hof
       
       > Die ersten Zeugen stützen den Ex-Bundespräsidenten. Wulff muss nichts
       > davon gewusst haben, dass ein Teil der Hotelrechnung übernommen wurde.
       
   IMG Bild: Bemüht auch mal Kafka: Ex-Bundespräsident Christian Wulff.
       
       HANNOVER dpa | Als Christian Wulff sich am Donnerstag den Weg durch die
       Kameras ins Landgericht Hannover kämpft, wirkt er gereizt. Im Gegensatz zum
       Auftakt seines Korruptionsverfahrens vor einer Woche will der
       Ex-Bundespräsident nicht mit den in der Kälte wartenden Journalisten
       sprechen.
       
       Fragen zu seinem Gemütszustand ignoriert er, stattdessen kontert er mit
       einem sarkastisch klingenden „Guten Morgen erst mal“ und schnelleren
       Schritten. Dann ist wieder Ruhe. Gemeinsam mit seinen Verteidigern
       verschwindet Wulff in einem Besprechungsraum.
       
       Wulffs Laune sollte sich an diesem zweiten Prozesstag im Laufe der ersten
       teils zähen Zeugenvernehmungen aber bald bessern. Denn die ersten Zeugen,
       zwei Mitarbeiter des Hotels „Bayerischer Hof“ in München, wissen zwar nicht
       mehr viel über die Ereignisse während des wohl berühmtesten
       Oktoberfestbesuches eines niedersächsischen Ministerpräsidenten. Mit ihren
       wenigen Erinnerungen helfen sie Wulff aber wohl mehr als sie ihm schaden.
       
       Den Aussagen zufolge war es Wulff nicht – wie von der Staatsanwaltschaft
       vermutet – automatisch möglich, 2008 beim Auschecken aus dem Hotel auf der
       Rechnung zu erkennen, dass „sein Freund“ David Groenewold einen Teil der
       Logiskosten bezahlt hatte. Genau so hatte Wulff es eine Woche zuvor in
       seinem rund 50-minütigen Monolog auch dargestellt.
       
       Mit Blick auf den Vorwurf der Vorteilsannahme wirkt die Möglichkeit der
       Unwissenheit des finanziellen Vorteils wie eine Entlastung, die Wulff von
       der Anklagebank aus mit dezenten Kopfnickern und bisweilen sogar einem
       Lächeln wortlos kommentiert.
       
       ## 10 bis 20 VIP täglich
       
       Auch zur Frage nach den Gründen für das Hochstufen bei der Zimmervergabe
       fällt keiner der Zeugen der Verteidigung in den Rücken: Es sei normales
       Alltagsgeschäft, dass Hotelgäste, meist Prominente oder Stammkunden, je
       nach Auslastung höherwertige Zimmer erhielten als zunächst gebucht worden
       seien, sagt der 48-jährige Empfangschef.
       
       Ob die Gäste von ihrer Hochstufung erfahren, könne nicht grundsätzlich
       gesagt werden, da es bisweilen auch stillschweigend geschehe. Zudem seien
       in dem Hotel täglich „10 bis 20 VIPS“ zu Gast, der diskrete Umgang mit
       bekannteren Persönlichkeiten sei daher auch für die Mitarbeiter an der
       Tagesordnung.
       
       Statt im ursprünglich reservierten Doppelzimmer durfte Wulff damals mit
       Frau Bettina und Sohn Linus zum Vorzugspreis von 383 Euro in einer Suite
       übernachten. Ein guter Preis für Gäste, „die für unser Haus wichtig sind“,
       heißt es auf einer dazugehörigen Notiz auf der Reservierung.
       
       Der Normalpreis soll vor fünf Jahren nach Angaben des 38-jährigen
       Assistenten der Hotelchefin 1100 Euro betragen haben. Auch dies nimmt Wulff
       – der sich angesichts der vielen Zahlen immer wieder Notizen macht und
       selbst in den Akten der Verteidigung blättert – wohlwollend nickend zur
       Kenntnis.
       
       ## Wulff geht fröhlich heim
       
       Ob im weiteren Prozessverlauf andere Zeugen mehr Licht ins Dunkel der
       Hotelbuchung und der Rechnungsstellung bringen können, scheint nach der
       Aussagen der ersten Hotelmitarbeiter zumindest fraglich. Täglich gebe es
       230 Check-Outs, zudem würden die Rezeptionisten beim kassieren die dort
       dargestellten Posten weder hinterfragen, noch gewähre das Computersystem
       ohne weiteres Einblick in die Einzelpostenbuchungen, erklärte der
       Empfangschef.
       
       Als Wulff am Mittag den Saal 127 wieder verlässt, ist seine Laune sichtlich
       besser: „Man hat das Gefühl, Kafka hätte über diesen Prozess geschrieben“,
       sagt er jetzt redselig den Journalisten unter Verweis auf Franz Kafkas 1931
       veröffentlichte Parabel „Der Schlag ans Hoftor“. In dem Stück muss sich ein
       junger Mann wegen öffentlicher Schuldzuweisungen für eine Tat verantworten,
       die er nicht begangen hat und deren Strafwürdigkeit weder dem Erzähler noch
       dem Leser einleuchtet.
       
       21 Nov 2013
       
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