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       # taz.de -- Bürgermilizen in Mexiko: Kampf den Tempelherren
       
       > Schutzgelderpressungen, Raubüberfälle, Entführungen – Alltag in Mexiko.
       > Im Kampf gegen die Kartelle nehmen Bürgermilizen ganze Dörfer ein.
       
   IMG Bild: Bewaffnete vor dem Rathaus in Tancítaro.
       
       BERLIN taz | Die Auseinandersetzungen zwischen Bürgermilizen und der Mafia
       in Mexiko haben einen neuen Höhepunkt erreicht. Bewaffnete
       Selbstverteidigungsgruppen halten seit dem Wochenende das Rathaus der Stadt
       Tancítaro im Bundesstaat Michoacán besetzt, um die Gewalt der Kartelle
       einzudämmen. Unterstützt von großen Teilen der Bevölkerung kontrollieren
       sie auch weitere Dörfer in der Region.
       
       Die örtliche Polizei musste sich zurückziehen. Neun Mitglieder des Kartells
       „Die Tempelherren“ seien getötet worden, sagt der Milizen-Anführer José
       Manuel Mireles. Außerdem sind bei den Schusswechseln zwei Landarbeiter
       gestorben. Um zu verhindern, dass die Bewaffneten weitere Gemeinden
       einnehmen, patrouillieren seit Montag Armee und Bundespolizei rund um
       Tancítaro.
       
       Seit einem Jahr organisieren sich in Mexiko zunehmend Bürger in autonomen
       bewaffneten Gruppen, da sie von den Sicherheitskräften keinen Schutz
       erwarten. Viele Polizisten, Soldaten und Politiker arbeiten direkt mit den
       Kartellen zusammen. Und während die Kriminellen früher in erster Linie
       untereinander um Schmuggelrouten und Drogenanbauflächen stritten, richten
       sich die Angriffe inzwischen immer mehr gegen die Bevölkerung:
       Schutzgelderpressungen, Raubüberfälle und Entführungen nehmen ständig zu.
       Die Offensive vom Wochenende sei in Gang gesetzt worden, nachdem zwei junge
       Mädchen entführt und ermordet worden seien, erklärte Milizen-Führer
       Mireles.
       
       Michoacán zählt zu den gefährlichsten Gebieten Mexikos. Regelmäßig
       entsendet Mexikos Regierung Soldaten in den Bundesstaat, Anfang November
       besetzte die Armee die als Drogenumschlagplatz bekannte Hafenstadt Lázaro
       Cárdenas. Doch die Maßnahmen konnten die Kriminalität nicht eindämmen. Auch
       deshalb sind die Bürgermilizen in dieser Gegend besonders präsent.
       
       ## Ganze Familien flüchten vor der Gewalt
       
       Allein in der Region Tierra Caliente, in der Tancítaro liegt, kontrollieren
       sie nach eigenen Angaben 19 Landkreise. Ende Oktober zogen Tausende ihrer
       Mitglieder in die Provinzhauptstadt Apatzingán. Offenbar als Antwort auf
       diesen Aufmarsch verübten die Tempelritter Anschläge auf Tankstellen und
       legten die Stromversorgung erheblicher Teile Michoacáns lahm.
       
       „Ganze Familien flüchten vor der Gewalt und der Unsicherheit, in der wir
       leben“, sagt Miguel Patiño Velázquez, Bischof von Apatzingán. Selbst die
       Landesregierung stünde im Sold der Tempelherren, der Zetas oder anderer
       Mafia-Organisationen, vermutet der Geistliche. Michoacán habe alle
       Charakteristika eines gescheiteren Staates. Der Bischof zeigt Verständnis
       für die Selbstverteidigungsgruppen.
       
       ## Gefahr einer weiteren „Paramilitarisierung“
       
       Doch die Bürgermilizen sind umstritten. Gerade in Michoacán seien einige
       von ihnen selbst mit der Mafia verstrickt, kritisiert Luis Hernández
       Navarro von der linken Tageszeitung La Jornada. Im Gespräch mit der taz
       verwies er auf die Gefahr einer weiteren „Paramilitarisierung Mexikos“.
       
       Dieses Risiko sieht auch Abel Barrera vom Menschenrechtszentrum
       Tlachinollan aus dem Bundesstaat Guerrero. Allerdings so sagt er, werde das
       Konzept einer autonomen Gemeindepolizei in Guerrero seit 17 Jahren
       erfolgreich praktiziert. Es werde angesichts der eskalierenden Kriminalität
       nun in ganz Mexiko in unterschiedlicher Weise aufgegriffen.
       
       Im Vordergrund stehe nicht das Tragen von Waffen, so Barrera, „aber ein
       sichereres Leben ist am ehesten dort möglich ist, wo Menschen auf der
       Grundlage gegenseitigen Respekts ihre Dörfer selbst kontrollieren.“
       
       19 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf-Dieter Vogel
       
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