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       # taz.de -- Seelsorgestreit: Muslime sagen Islamforum ab
       
       > Streit zwischen Islamverbänden und Senat eskaliert: Das für morgen
       > geplante Dialogforum ist abgesagt. Anlass ist die gekippte muslimische
       > Gefangenenseelsorge
       
   IMG Bild: Er löste den aktuellen Disput aus, indem er die muslimische Gefangenenseelsorge kippte: Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU).
       
       Imran Sagir ist ein kräftiger Mann mit sanfter Art, er leitet eine
       muslimische Telefonseelsorge. Jahrelang arbeitete der 40-Jährige auch in
       Gefängnissen, gab in Berlin, Hamburg und Niedersachsen Anti-Gewalt-Kurse.
       Nun wollte Sagir dort auch geistliche Hilfe anbieten – bis der Senat ihm
       und 27 weiteren Islam-Seelsorgern das untersagte.
       
       Sagir ist Leiter der Arbeitsgemeinschaft Muslimische Gefängnisseelsorge, zu
       dem angesehene Verbände wie die Islamische Förderation oder Ditib gehören.
       Und derzeit ist Sagir ziemlich ungehalten. „Wie sollen wir mit dem Senat
       zusammenarbeiten, wenn wir nicht mal wissen, ob er uns überhaupt traut?“
       Sagir ist damit nicht allein: Gleich elf muslimische Verbände liegen
       derzeit im Streit mit dem Senat – und sagten nun das für Donnerstag
       angesetzte Berliner Islamforum ab, laut Mitteilung „bis auf Weiteres“.
       
       ## Austausch seit 2005
       
       Seit 2005 treffen sich im Islamforum in mehrmonatigen Abständen ein gutes
       dutzend muslimischer Verbände mit Senats- und Bezirksvertretern, um sich
       auszutauschen. Geleitet wird es von der Integrationsbeauftragten Monika
       Lüke.
       
       Der nun eskalierte Streit schwelt schon länger. Bereits im August erteilte
       die Justizverwaltung Sagirs Arbeitskreis eine Abfuhr: Aufgrund von
       „Sicherheitsbedenken“ des Verfassungsschutzes dürfe dieser keine Seelsorger
       in den Gefängnissen stellen. „Zentrale Personen“ des Vereins gelten als
       „problematisch“. Da war die vom Senat finanzierte und begleitete Ausbildung
       der 28 Seelsorger bereits abgeschlossen.
       
       Bis heute aber, kritisieren die Verbände, habe man nicht erfahren, um
       welche „Bedenken“ es konkret geht und wie viele der Seelsorger davon
       betroffen sind. Von „absoluter Intransparenz“ ist die Rede. Das habe man
       auf dem jetzigen Islamforum klären wollen. Nur hätten nicht nur
       Justizsenator Thomas Heilmann, sondern auch Innensenator Frank Henkel
       (beide CDU) abgesagt. „So macht das alles keinen Sinn mehr“, schimpft
       Sagir. Auch Pinar Cetin, Vize-Chefin der Berliner Ditib, spricht von
       „leichtfertig beschädigtem Vertrauen zwischen dem Land und den Berliner
       Muslimen“.
       
       Im Senat ist man nun aufgeschreckt. Am Dienstag erteilte Henkel Heilmann
       die Order, nochmal „intensiv“ mit dem Islamforum zu sprechen. In der
       Koalition wird über eine „Überreaktion“ des Justizsenators gegrummelt.
       Dessen Sprecherin Lisa Jani nennt die Absage des Islamforums „sehr
       bedauerlich“. Bei der Seelsorger-Frage aber gebe es keinen Spielraum. „Wenn
       es Sicherheitsbedenken gibt, dann können wir diesen Personen keinen
       Schlüssel für Vollzugsanstalten überlassen.“
       
       Nur was sind diese Zweifel? Darüber schweigt der Senat: wegen der
       „hochsensiblen“ persönlichen Daten. Von salafistischen Kontakten ist die
       Rede, die eine „Vielzahl“ der Seelsorger beträfen. An anderer Stelle heißt
       es, nur eine handvoll Personen sei politisch bedenklich. Alles andere
       beträfe Strafdelikte bei der Polizei. Ein Sprecher Henkels beteuerte, der
       Verfassungsschutz habe nur Erkenntnisse weitergegeben. „In die Entscheidung
       war er nicht eingebunden.“ Soll heißen: Heilmann ist verantwortlich.
       
       Imran Sagir hält das Ganze für eine große Posse. Er kenne 90 Prozent der
       Seelsorger persönlich, sagt er. „Für die lege ich meine Hand ins Feuer.
       Keiner von uns arbeitet gegen die Verfassung oder die Gesellschaft.“ Zudem
       seien sieben der 28 Seelsorger bereits in Gefängnissen tätig. „Die wurden
       ja auch überprüft und zugelassen. Wie passt das alles zusammen?“
       
       Heilmann versichert derweil, dass die Seelsorge muslimischer Gefangenen
       gesichert sei. Neun Imame und elf weitere Mitarbeiter seien dafür im
       Einsatz, sagt dessen Sprecherin Jani – „sehr erfolgreich.“ Man arbeite auch
       weiter „auf Hochtouren“ an einer „Institutionalisierung“ der Seelsorge mit
       Muslimverbänden. „Nur ohne die bisherige Trägergruppe.“
       
       Welche Islamverbände aber nun noch Interesse an dem Projekt haben, bleibt
       offen. Die Integrationsbeauftragte Monika Lüke versucht zu schlichten. Sie
       appellierte an alle Seiten, sich wieder an einen Tisch zu setzen: „Gerade
       jetzt zeigt sich, wie wichtig das Islamforum ist, um wieder Vertrauen
       herzustellen.“ Der Verdruss der Muslime über den pauschalen Verdacht sei
       verständlich, so Lüke. Auch müsse die Seelsorge muslimischer Inhaftierter
       gewährleistet sein. "Dafür brauchen wir jetzt Kooperation und Lösungen."
       
       12 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
       ## TAGS
       
   DIR Muslime
       
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