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       # taz.de -- Die Wahrheit: Brüh im Glanze
       
       > Ein Herz für Königsberger Klopse: Die Ober-Vertriebene Erika Steinbach
       > verklagt die Europäische Union.
       
   IMG Bild: Glüht im ganzen Glanze ihres Glückes: Erika Steinbach.
       
       Das könnte ein dicker Klops für Brüssel werden: Erika Steinbach,
       Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), hat beim Europäischen
       Gerichtshof für Menschenrechte Klage gegen die EU-Kommission eingereicht.
       „Die Kommission hat in eklatanter Weise gegen das Recht auf Heimatgefühl
       verstoßen“, erklärte Steinbach.
       
       Die CDU-Politikerin hatte beantragt, dass „Königsberger Klopse“ in die
       „Liste der geschützten geografischen Angaben“ (ggA) aufgenommen werden. Bei
       Königsberger Klopsen handelt es sich um ein beliebtes Gericht aus
       Fleischklößen in angeschwitzter Brühe mit Kapern. Der Antrag wurde jedoch
       mit der Begründung abgelehnt, die ostpreußische Stadt Königsberg – das
       heutige Kaliningrad – befinde sich bedauerlicherweise außerhalb des
       Hoheitsgebietes der Europäischen Union und gehöre auch keinem Drittland an.
       Folglich sei eine Aufnahme in ein Verzeichnis der EU leider nicht möglich.
       
       Steinbach argumentierte: „Die Opfer der Vertreibung und ihre Nachfahren
       haben ein Anrecht darauf, dass ihr Schicksal, dem sie stellvertretend für
       alle Deutschen hilflos ausgeliefert waren, im nationalen und damit eben
       auch im europäischen Gedächtnis bewahrt wird.“ Sie führte eine aktuelle
       Umfrage des Forsa-Instituts an, laut der Königsberger Klopse mit 93 Prozent
       „den größten Bekanntheitsgrad unter den regionalen deutschen Gerichten
       haben“ und dementsprechend „maßgeblicher Bestandteil deutscher
       Hausmannskost“ seien. Auch Deutschlands führender Gastronomiekritiker
       Wolfram Siebeck zähle Königsberger Klopse zu den besten traditionellen
       deutschen Gerichten, erläuterte Steinbach: „Nur weil der Kommunismus uns
       Ostpreußen genommen hat, hört der Königsberger Klops nicht auf, ein
       urdeutsches Gericht zu sein.“
       
       Unterstützung bekommt Steinbach von der CSU. Markus Söder, frisch gekürter
       Heimatminister des Freistaates Bayern, sagte: „Zur Heimat gehört unbedingt
       auch landestypische Kost.“ Er sei „stolz, dass die EU unsere Bayerische
       Breze, Brezn oder auch Brez’n“ auf ihrer Liste führe, ebenso wie „den
       Obazda, Obazter oder auch Obazte.“ Da gönne er „unseren ostpreußischen
       Landsleuten jeden Klops der Welt“.
       
       Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bestärkte die BdV-Präsidentin:
       „Das reiche Kulturerbe der Deutschen, das sich in unseren östlichen
       Nachbarländern findet, gilt es lebendig zu halten und zu bewahren.“ Viele
       Menschen identifizierten sich mit den Spezialitäten ihres Heimatlandes. Ihr
       selbst gehe „das ostdeutsche Herz auf, wenn ich jetzt wieder überall
       Dresdner Christstollen sehe“ – ein Produkt auf der gga-Liste.
       
       „Genau da liegt das Problem“, sagte Steinbach. „Mit Dresdner Christstollen,
       Halberstädter Würstchen oder Erfurter Schittchen hat die EU offenbar keine
       Schwierigkeiten. Dabei waren das jahrzehntelang Erzeugnisse eines fremden,
       ja sogar mit der Bundesrepublik verfeindeten Staates!“ Die EU agiere
       „diktatorisch“, wenn sie „die Siedlungsgeschichte der Deutschen in
       Ostmitteleuropa und ihre Integration in die Gesellschaften der
       Bundesrepublik und der DDR“ mit „zweierlei Maß“ beurteile. Das
       „gravierendste Beispiel“ hierfür sei der „Oberlausitzer Biokarpfen“, den
       die Kommission auf ihrer Liste der geschützten geografischen Angaben führe.
       Die Oberlausitz gehöre zwar größtenteils zu Sachsen, „aber eben auch zu
       Polen – also zu dem Land, das bereits im März 1933 mobil gemacht hat“. Da
       sei, so Steinbach, ja wohl die Frage erlaubt, wem man diesen ganzen
       „Nachkriegsschlamassel inklusive Gründung der EU“ zu verdanken habe.
       
       Sie habe versucht, „auf dem Wege friedlicher Revisionsvorschläge“ die
       Kommission umzustimmen und eine Änderung „dieses unerträglichen Zustandes
       herbeizuführen“, sagte Steinbach. Von einem portugiesischen Präsidenten, in
       dessen Herkunftsland „stinkender Stockfisch, der 150 Tage in der Sonne
       gelegen hat“, als „traditionelle regionale Spezialität“ gelte, lasse sie
       sich aber nicht „an der Nase herumführen“: „Niemand wird mich, die ich im
       Deutschen Bundestag für die Universalität von Menschenrechte fechte, davon
       überzeugen, dass eine Barbarei die andere rechtfertigen darf.“
       
       Sollte die EU „nicht zur Besinnung“ kommen, will die
       Vertriebenen-Präsidentin „eine Gegenoffensive starten“: „Ich werde
       beantragen, den Tiroler Almkäse, den Tiroler Bergkäse, den Tiroler Graukäse
       und den Tiroler Speck aufgrund falscher geografischer Angaben von der Liste
       zu streichen. Und ebenso das Steirische Kürbiskernöl!“ Schließlich gehörten
       Tirol und die Steiermark auch einmal zum Deutschen Reich. „Ihre kulturellen
       Schätze verdanken diese Gebiete demzufolge ausschließlich unseren deutschen
       Mitbürgern“, erklärte Steinbach. Die Österreicher könnten „froh sein, wenn
       ihnen noch die Wachauer Marille bleibt, wenn ich mit ihnen fertig bin!“
       
       13 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tanja Kokoska
       
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