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       # taz.de -- Neues Brandgutachten im Fall Jalloh: Mit Benzin begossen und angezündet
       
       > Zur Ursache vom Tod Oury Jallohs in Polizeigewahrsam gibt es ein neues
       > Brandgutachten. Dessen Fazit: der Flüchtling muss ermordet worden sein.
       
   IMG Bild: Sah so das Feuer aus? Präsentationsvideo zum Brandgutachten bei der Pressekonferenz.
       
       BERLIN taz | 30.000 Euro hatten die Aktivisten bei Unterstützern gesammelt.
       Es war die letzte Chance, die sie sahen, den Feuertod des Afrikaners Oury
       Jalloh aufzuklären. Mit dem Geld bezahlten sie den britischen
       Brandgutachter Maksim Smirnou. Er sollte eine Antwort auf die Frage finden,
       wie einer der mysteriösesten Todesfälle in einem deutschen Polizeirevier zu
       erklären ist.
       
       Am Dienstag präsentierte die „Initiative Gedenken an Oury Jalloh“ in Berlin
       die Ergebnisse von Smirnous gut zehnmonatiger Arbeit. Der Sachverständige
       hatte die Polizeizelle, in der Jalloh starb, teilweise nachgebaut. In
       mehreren Brandversuchen hat er Schweinekadaver auf Matratzen aus demselben
       Material wie in Dessau angezündet.
       
       „Schweinegewebe ist menschlicher Haut am ähnlichsten“, sagte Smirnou. Er
       kommt zu dem Schluss, die schnelle und völlige Zerstörung der feuerfesten
       Matratze, auf der Jalloh fixiert war, das Ausmaß und die Intensität der
       Verkohlung des Körpers bis in tiefe Hautschichten nur durch fünf Liter
       eines Brandbeschleunigers, etwa Benzin, möglich sei. „Sonst ist das mit der
       vorgefundenen Situation in Zelle Fünf nicht in Übereinstimmung zu bringen.“
       
       In Versuchen ohne oder nur mit zwei Litern Benzin seien Matratze und
       Tierkadaver nur oberflächlich Verbrannt. Auch die in den Gerichtsakten
       dokumentierten Konzentrationen von Stoffen wie Blausäure in der Zelle seien
       nur mit Brandbeschleunigern aufgetreten. Smirnou hat nach eigenen Angaben
       in den vergangenen zehn Jahren 300 Brandfälle untersucht. Für Gerichte ist
       er bislang allerdings nicht tätig geworden.
       
       ## Nur in eine Richtung ermittelt
       
       Die Ergebnisse des Gutachtens sind in einem Video festgehalten. Die
       Aktivisten haben darin auch Bilder geschnitten haben, die das
       Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt direkt nach dem Brand am 7. Januar 2005 in
       der Zelle mit Jallohs noch gefesselter Leiche gemacht hat. In dem Video
       wird deutlich, dass die Justiz von Beginn an in eine Richtung emittelt hat:
       Noch bevor er den Gewahrsamstrakt betritt, ist ein Polizist mit den Worten
       zu hören: „Ich begebe mich jetzt in den Keller, in dem sich ein
       schwarzafrikanischer Bürger in einer Arrestzelle selbst angezündet hat.“
       
       Schon 2005 hatte die Gruppe eine zweite Obduktion der Leiche Jallohs
       durchgesetzt und aus eigenen Mitteln bezahlt. Erst dabei waren Brüche im
       Schädel festgestellt worden, die die ersten Pathologen übersehen hatten.
       
       Die Aktivistin Nadine Saeed erinnerte am Dienstag daran, dass in Jallohs
       Leiche seinerzeit keine Spuren des bei Brandopfern üblichen Stresshormons
       Noradrenalin festgestellt worden seien. Das sei nur dadurch erklärbar, dass
       er bewusstlos gewesen ist, als das Feuer entzündet wurde. Auch seien an dem
       Feuerzeug, das in der Zelle sichergestellt worden sein soll, weder DNA
       Jallohs noch Bekleidungs- oder Matratzenreste gefunden worden.
       
       ## Staatsanwalt ist überrascht
       
       Auch der Dessauer Oberstaatsanwalt Folker Bittmann war zur Vorstellung des
       Gutachtens in das Berliner Haus der Demokratie gekommen. Er sprach von
       „sehr ernsten, überraschenden und zum Teil erschreckenden Informationen“.
       Jetzt müsse man sehr genau prüfen, wie man weiter vorgehe, weil einige
       Punkte früheren Gutachten in Deutschland widersprechen würden. Bittmann
       sagte: "Das kann nicht einfach weggewischt werden." Voraussichtlich müsse
       ein neues Gutachten durch die Ermittlungsbehörden erstellt werden.
       
       Am Montag hatten sechs Personen aus der Initiative beim Generalbundesanwalt
       in Karlsruhe „Strafanzeige wegen Totschlag oder Mord gegen unbekannte
       Polizeibeamte“ erstattet. Weil es sich um eine „besonders schwere Straftat
       mit Bezug zur inneren Sicherheit und Verfasstheit der Bundesrepublik
       handelt und die Täter notwendigerweise Polizisten sein müssen“, solle die
       oberste Strafverfolgungsbehörde jetzt Ermittlungen aufnehmen.
       
       12 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Jakob
       
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