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       # taz.de -- 19. UNO-Klimakonferenz in Warschau: Kumpel gegen Klimagipfel
       
       > In Polen wird über den Kampf gegen schädliche Treibhausgase beraten.
       > Parallel trifft sich die Kohlelobby und demonstrieren die Bergmänner.
       
   IMG Bild: Filmszene eines Arbeiters in der Kokerei von Bytom/Polen
       
       WARSCHAU taz | Schwarz rauchende Schlote, ätzender Rauch und feiner
       Kohlestaub sind typisch für Oberschlesien. „Dreckig, aber reich!“, grinsen
       die Kumpel aus dem polnischen Kohlerevier schon mal und fluchen über
       Klimaschützer, die ihnen die Arbeit und den guten Lohn wegnehmen wollen.
       
       Den aus aller Welt anreisenden Teilnehmern der 19. UN-Klimakonferenz in
       Warschau werden die Dreckschleudern rings um Kattowitz und Belchatow wohl
       erspart bleiben, dem Streit mit den Chefs und Managern von Kohlegruben und
       -kraftwerken dürften sie jedoch kaum entgehen. Aus dem polnischen
       Kohlerevier wollen auch viele der rund 120.000 Kumpel nach Warschau kommen,
       um vor dem Nationalstadion, dem Tagungsort des Gipfels, zu demonstrieren.
       
       Denn Polen richtet vom 11. bis zum 22. November nicht nur die
       UN-Klima-Konferenz COP19 aus, bei der Umweltminister Marcin Korolec den
       Vorsitz hat. Fast zeitgleich, vom 19. bis 22. November, trifft sich auch
       die internationale Kohlelobby in Warschau zu ihrem Internationalen Kohle-
       und Klimagipfel, zu dem Wirtschaftsminister Janusz Piechociski eingeladen
       hat. Dort wollen die Lobbyisten den fossilen Brennstoff als
       zukunftsträchtigen, billigen und inzwischen auch sauberen Energieträger
       vorstellen. Die neuesten Technologien sollen dies angeblich gewährleisten.
       
       Umweltschützer hatten das seltsame Zusammentreffen der beiden Gipfel schon
       zuvor scharf kritisiert. Doch Polens Medien griffen das Thema nicht auf,
       der Minister schwieg zu den Vorwürfen – und so werden nun Kohlelobby und
       straff gewerkschaftlich organisierten Kumpel gegen Ende des Klimagipfels,
       wenn die wichtigen Entscheidungen fallen sollen, massiv für die Ausweitung
       des Kohletagebaus und den Neubau weiterer Kohlekraftwerke werben.
       
       ## Polnische Klimaschutzmuffel
       
       Schon die Bewerbung Polens um den COP19 löste vielerorts Rätselraten und
       Stirnrunzeln aus. Denn das Fiasko des UN-Klimagipfels COP14 im
       westpolnischen Posen/Poznan 2008 ist vielen noch im Gedächtnis, auch wenn
       das Scheitern nicht allein auf das Konto Polens ging.
       
       Zudem gelten Polens Umwelt- und Wirtschaftsminister als ausgesprochene
       Klimaschutzmuffel: Immer wieder vereitelten sie mit einem Veto eine
       gemeinsame EU-Politik zur Absenkung des CO2-Ausstoßes in allen
       Mitgliedsländern. Ihr Argument: Bevor nicht auch China, die USA, Brasilien
       und einige Schwellenländer dem Klimaabkommen beiträten, werde sich Polen
       nicht bewegen. Klimaschutzvorreiter zu spielen, dem dann niemand folge, sei
       teuer und sinnlos.
       
       Zuletzt bekräftigte auch noch Polens liberalkonservativer Premier Donald
       Tusk, dass seine Regierung dem Ausbau der erneuerbaren Energien keine
       Priorität zumesse. Im September sagte er in der oberschlesischen Metropole
       Kattowitz/Katowice: „Die polnische Wirtschaft und die polnische Energie
       basieren weiterhin auf Braun- und Steinkohle sowie in näherer Zukunft auch
       auf Schiefergas – in modernster, umweltfreundlichster Weise.“ Die Nutzung
       erneuerbarer Energien sei wünschenswert, aber nicht mehr als eine
       Ergänzung. Polen wolle mit modernen Technologien seine
       Kohlendioxidemissionen verringern, „aber nicht durch die Streichung der
       Kohle aus unserem Energiemix“.
       
       Polens linksliberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza spottet denn auch: „Zum
       Auftakt des UN-Klimagipfels sollte Umweltminister Korolec im
       Nationalstadion Feuer in einem großen Koksofen machen. … Das wäre ein
       schönes Symbol der polnischen Heuchelei.“ Denn einerseits richte die
       Regierung den UN-Klimagipfel aus, andererseits bereite sie ein Gesetz vor,
       das erneuerbare Energien für den einzelnen Bürger zu einem Luxusgut werden
       lasse. Dabei sollte die Energierevolution Polens doch darin bestehen, sich
       von den riesigen Kraftwerksmolochen aus kommunistischer Zeit zu
       verabschieden und stattdessen individuelle Stromversorgung mit Windrädern,
       Sonnenkollektoren und lokale Biomasseöfen zu fördern.
       
       Die meisten Kohlekraftwerke Polens seien längst im Rentenalter. Polen müsse
       also in jedem Fall investieren: in den Bau neuer Kraftwerke, die die
       90-prozentige Abhängigkeit des polnischen Strommarkts von der Kohle
       festschreibe – oder in erneuerbare Energien, die nicht nur dem Klima
       zugutekämen, sondern mittel- und langfristig auch der polnischen
       Wirtschaft.
       
       ## Patriotische Kohle, patriotische Sonne
       
       Selbst die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita, die sich bislang nicht
       übermäßig für Klimafragen interessierte, bläst nun in das Horn der
       Klimaschützer und verweist auf die USA, die gerade einen radikalen Wandel
       hin zum Klimaschutz vornähmen. Bislang, so warnt Michal Olszewski, konnte
       sich Polens Regierung hinter den großen Luftverschmutzern USA und China
       verstecken und weiterhin vor allem auf die heimische Kohle setzen. Was
       aber, wenn diese Staaten plötzlich umschwenken? Dann werde Polen seinen
       strikten Kohlekurs nicht mehr beibehalten können.
       
       „Was ist eigentlich patriotisch an polnischer Kohle“, fragte ein Hörer
       während einer Radiodebatte und sprach damit vielen Polen aus dem Herzen.
       „Sind Sonne und Wind etwa weniger polnisch als die Kohle?“
       
       11 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gabriele Lesser
       
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