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       # taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Wahlbeobachter nach München!
       
       > Wie der Bürgerentscheid über eine Bewerbung Münchens für olympische
       > Winterspiele 2022 die Idee der direkten Demokratie pervertiert.
       
   IMG Bild: Grenzwertige Reklameschlacht: Die Olympiabefürworter sind in München allgegenwertig
       
       „Bitte stimmen Sie am 10. November für die Winterspiele in München!“ Wer in
       dieser Woche mit der S-Bahn in München unterwegs war, wird nicht schlecht
       gestaunt haben über die Wahlempfehlung, die ihm da aus den Lautsprechern
       der Waggons entgegenschallte.
       
       Ein Staatsunternehmen macht vor einer wegweisenden Abstimmung eine
       eindeutige Wahlwerbung. Vor den Fenstern hängen schon seit Wochen die
       schrillen Plakate, auf denen für die Spiele geworben wird. Die S-Bahn war
       so nett, den Olympiafreunden etliche Flächen umsonst zur Verfügung zu
       stellen. Wem die Außenwerbung zu plakativ ist, der hat die Möglichkeit, in
       der Werbebroschüre für Olympia zu blättern. Die wurde mit der
       Abstimmungsbenachrichtigung an alle Wahlberechtigten verschickt. Ein
       Hinweis auf die Argumente der Olympiagegner findet sich da nicht.
       
       Das soll also die von vielen herbeigesehnte direkte Demokratie sein? Der
       von olympiaverrückten Kommunalpolitikern dominierte Münchner Stadtrat, der,
       angetrieben von OB und Oberolympianarr Christian Ude, den Bürgerentscheid
       initiiert hat, wollte von Anfang an nicht wissen, wie die Bürger der Stadt
       über ein olympisches Großereignis 2022 denken. Es ging einzig und allein
       darum, sich die Zustimmung zu Olympia abzuholen. Ein fairer Wettbewerb um
       die Meinungshoheit hat nicht stattgefunden. Wie hier mit dem Instrument
       eines Bürgerentscheids umgegangen wurde, darf getrost als Nackenschlag für
       die direkte Demokratie bezeichnet werden.
       
       Wie die eigene Machtposition der Exekutive im Wahlkampf schamlos ausgenutzt
       wird, ist oft und immer zu Recht kritisiert worden, wenn es etwa um Wahlen
       in der Russischen Föderation ging. Und internationale Wahlbeobachter hätten
       gewiss aufgeschrien, wenn sie mitbekommen hätten, dass die Moskauer Metro
       zur Wahl von Putin aufgerufen hätte, so wie sie immer wieder – auch das
       völlig zu Recht – bemängelt haben, dass der Opposition in den staatsnahen
       Medien vor den Wahlen zu wenig Platz eingeräumt worden ist.
       
       Und noch etwas ist merkwürdig an diesem Bürgerentscheid. Es ist sicher
       sinnvoll, die Bürger der von Olympia betroffenen Gemeinden frühzeitig über
       eine Bewerbung abstimmen zu lassen, und gewiss besser, als sie gar nicht in
       die Planung eines derartigen Megaevents einzubeziehen. Aber die
       Olympiabefürworter tun jetzt schon so, als dürfe man nichts mehr gegen die
       Spiele sagen, wenn sich eine Mehrheit der Bevölkerung am Sonntag hinter die
       Bewerbungspläne gestellt hat. Auch das ist arg undemokratisch gedacht.
       
       Natürlich bleibt es legitim, für jeden Baum zu kämpfen, der für Olympia
       gefällt werden soll, und gegen jede Schneekanone, die lärmend weiße
       Kristalle auf planierte Berge schießt. Und genauso legitim bleibt es,
       Stadt, Land und Bund zu kritisieren, wenn sie die zum Großteil geheimen
       Verträge unterschreiben, in denen sie dem IOC steuerfreies Geschäftemachen
       zusichern und gleichzeitig das gesamte wirtschaftliche Risiko auf sich
       nehmen. Und auch wenn sich die Stadtväter ärgern mögen, wenn während einer
       IOC-Visite in München Olympiagegner demonstrieren, so ist es doch deren
       gutes Recht.
       
       Schon einmal wurde beinahe alles versucht, das Dagegensein als
       staatsfeindlichen Akt zu definieren. Als der deutsche Bundestag die
       letztlich grandios gescheiterte Bewerbung Münchens für die Winterspiele
       2018 zum Staatsziel erhoben hatte, da fühlten sich manche Olympiakritiker
       regelrecht an den Rand gedrückt, ausgeschlossen aus dem
       Gesellschaftsvertrag. Einer Demokratie ist das unwürdig.
       
       8 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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