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       # taz.de -- Mehr Kirchenaustritte in Deutschland: Der „Tebartz-Effekt“
       
       > Die Zahl der Kirchenaustritte schnellt nach oben. Dabei zeigt sich, dass
       > viele die Kirche wegen der Affäre um den Limburger Bischof Tebartz-van
       > Elst verlassen.
       
   IMG Bild: Und Tschüss
       
       BERLIN dpa | Die Affäre um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van
       Elst hat der katholischen Kirche viele Negativ-Schlagzeilen eingebracht.
       Das Vertrauen vieler Katholiken in ihre Bischöfe ist massiv erschüttert,
       auch die evangelische Kirche spürt Auswirkungen. Folge: Vielerorts in
       Deutschland kehren mehr Menschen ihrer Kirche den Rücken als üblich, wie
       bundesweite Recherchen der Nachrichtenagentur dpa ergaben.
       
       In Köln hat sich die Zahl der Kirchenaustritte von September auf Oktober
       mehr als verdoppelt und stieg auf 571. Das sei ein Spitzenwert in den
       vergangenen Jahren, sagte der Sprecher des Amtsgerichts, Marcus Strunk.
       Auch die Zahl der Austritte aus der evangelischen Kirche stieg um knapp 80
       Prozent auf 228. Je nach Bundesland sind Amtsgerichte, Standes- oder
       Einwohnermeldeämter für Kirchenaustritte zuständig. „Die Leute standen im
       Oktober morgens und abends Schlange“, schildete Strunk.
       
       Ähnlich sah es in Paderborn aus. Nach Angaben des Amtsgerichts traten im
       Oktober mit 107 Katholiken dreimal so viele Menschen aus wie im Vormonat.
       Bei der evangelischen Kirche lag die Zahl mit 37 Austritten mehr als
       doppelt so hoch wie im September. Auch in Osnabrück und Bremen ging die
       Zahl der Kirchenaustritte im Oktober deutlich in die Höhe, ebenso in
       Bayern.
       
       In München gab es im Oktober 1250 Austritte, im Vergleich zu 602 im
       September. In Regensburg verdreifachte sich die Zahl nahezu. Insgesamt
       traten hier im vergangenen Monat 147 Menschen aus der Kirche aus, darunter
       125 Katholiken. Ähnlich war die Entwicklung in Nürnberg und Passau.
       
       Aus Rückmeldungen sei zu erfahren, dass die Affäre um den Limburger Bischof
       Tebartz-van Elst der Anlass für Kirchenaustritte war, sagte der Sprecher
       des Bistums Trier, André Uzulis. Das Bistum erhalte Briefe und Anrufe, in
       denen Katholiken ihrem Unmut Luft machten. In Trier traten im Oktober 97
       Menschen aus der Kirche aus, wobei das Standesamt nicht zwischen
       katholischer und evangelischer Konfession unterscheidet. Im September waren
       es lediglich 38.
       
       ## Langfristige Entwicklung
       
       Dem Bad Homburger Amtsgerichtsdirektor Stephan Schmidt zufolge ist ein
       „Tebartz-Effekt“ deutlich zu sehen. Dort wurden im Oktober 118 Austritte
       bei der katholischen Kirche gezählt – gegenüber 23 im Vormonat.
       
       Für den Religionssoziologen Detlef Pollack von der Universität Münster
       reihen sich diese Zahlen in eine längerfristige Entwicklung ein. Die
       christlichen Kirchen in Deutschland müssten weiter mit sinkenden
       Mitgliederzahlen rechnen, sagte er. „Das Wohlstands- und Bildungsniveau ist
       so hoch und die soziale Absicherung so gut, dass immer weniger Menschen die
       seelsorglichen und sozialen Angebote der Kirchen nachfragen.“ Das gelte
       trotz Reformsignalen von Papst Franziskus und Neuerungen in den
       evangelischen Landeskirchen.
       
       Einer Statistik der Deutschen Bischofskonferenz zufolge verliert die
       katholische Kirche in Deutschland seit 1990 jährlich mehr als 100 000
       Mitglieder durch Austritte. Im vergangenen Jahr waren es 118 288. Auch aus
       der Evangelischen Kirche Deutschland traten zuletzt deutlich mehr als 100
       000 Menschen pro Jahr aus. Beide christlichen Kirchen haben derzeit jeweils
       um die 24 Millionen Mitglieder.
       
       ## Finanzielle Erwägungen spiele auch eine Rolle
       
       Pollack sieht auch finanzielle Erwägungen als ein entscheidendes Motiv für
       Kirchenaustritte. „Man fühlt sich oft seit Jahren nicht mehr eng mit der
       Kirche verbunden und entscheidet sich dann in einer Situation des
       finanziellen Engpasses für den Austritt, um die Kirchensteuer zu sparen“,
       sagte er.
       
       Generell seien die Austrittszahlen aus Steuergründen zum Jahresende höher,
       weil dann die Zahlung des Weihnachtsgeldes anstehe, ist vom Standesamt in
       Lübeck zu hören. In der Hansestadt wurden im Oktober 140 Austritte
       registriert, nach 77 im September. Bei Kirchenaustritten spielten auch
       persönliche Lebenserfahrungen eine Rolle, sagt der Sprecher des Bistums
       Speyer, Markus Herr.
       
       Ungeachtet dieser allgemeinen Trends lässt sich die auffällige Zunahme an
       Kirchenaustritten im Oktober wohl dennoch auch auf den Limburger Bischof
       und seine Außenwirkung zurückführen: Einer aktuellen Forsa-Umfrage zufolge
       erschütterte der Unmut über Tebartz-van Elst das Vertrauen in die
       katholische Kirche. 65 Prozent der deutschen Katholiken halten demnach ihre
       Kirche für wenig oder überhaupt nicht glaubwürdig. Rund ein Fünftel denke
       nach den Debatten über Vermögen und Verschwendung über einen Austritt nach.
       
       7 Nov 2013
       
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