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       # taz.de -- Musikindustrie: „Wir suchen Rockstar-Unternehmer“
       
       > Mischa Wetzel steckt Risikokapital in junge Berliner Musik-Start-ups. Ein
       > Gespräch, wie man mit Musik Geld verdienen kann.
       
   IMG Bild: Auch Streamingplattformen wie Spotify oder YouTube sind heute richtige Umsatzbringer
       
       taz: Herr Wetzel, es sind wieder mal Berlin Music Days. Ziehen Sie
       jobbedingt durch die Clubs? 
       
       Mischa Wetzel: Nein. Die für mich interessante Zielgruppe, die Start-ups,
       treffe ich bei anderen Veranstaltungen wie der Berlin Music Week oder der
       Langen Nacht der Start-ups.
       
       Sie interessiert nur, wie man mit Musik Geld machen kann? 
       
       Nicht privat, aber was meinen Beruf betrifft, ja. Ich schaue mich mit
       meinem Team nach pfiffigen Ideen um, wie man mit Musik heute Geld verdienen
       kann. Wir suchen nicht den nächsten Superstar, wir suchen den neuen
       Rockstar-Unternehmer.
       
       Sie sind „Venture Capitalist“ – das klingt wie „Heuschrecke“. 
       
       Das ist ein häufiges Missverständnis. Venture-Capital-Firmen werden als
       Unterbereich von Private Equity Fonds begriffen und verdächtigt,
       Unternehmen unter ihre Kontrolle zu bringen, um Bares daraus zu ziehen.
       Aber wir machen genau das Gegenteil: Wir stecken Geld in die Unternehmen,
       um ihnen Wachstum zu ermöglichen. Die operative Kontrolle behalten die
       Unternehmer.
       
       Die IBB Beteiligungsgesellschaft ist ein Venture Capitalist der
       öffentlichen Hand. Aber renditefixiert sind Sie wie die Privatkonkurrenz,
       oder? 
       
       Wir müssen dieselben Maßstäbe anlegen wie die Kollegen aus der
       Privatwirtschaft, mit denen wir Start-ups auch immer kofinanzieren. Wir
       wollen das uns anvertraute Geld vermehren und nicht in unsinnige Dinge
       stecken.
       
       Berlin hat 2008 als erstes Bundesland einen Fonds speziell für die
       Kreativwirtschaft aufgestellt. Wie kam es dazu? 
       
       Es gab ein politisches Interesse, etwas für die hier so wichtige
       Kreativbranche zu tun. Also auch stark wachsende Unternehmen zu
       unterstützen, die internationalen Erfolg haben können.
       
       Was ist in der Musikbranche derzeit interessant für Sie? 
       
       Bis 2008 lag der Fokus noch auf Musiktechnologie, -software und
       -plattformen. Seitdem können wir auch in Themen investieren, bei denen das
       Alleinstellungsmerkmal nicht Technologie ist, sondern Content, also Inhalt.
       Ein Beispiel ist „!K7 Records“.
       
       Was interessiert Sie an !K7? 
       
       Es zählt zu den Labels, die aufgrund der Digitalisierung völlig neue
       Möglichkeiten bei der Kommerzialisierung ihres Rechtestocks haben, etwa bei
       der Verwertung für Streamingdienste.
       
       Kein unkompliziertes Geschäftsfeld. 
       
       Ja, vor fünf, sechs Jahren war man noch sehr vorsichtig mit Investitionen
       in diesem Bereich. Man sah, dass die Musikindustrie mit dem Umbruch durch
       die Digitalisierung nicht fertig wurde. Die Labels saßen auf ihren Rechten
       und wollten nichts hergeben. Aber die Musikrechte sind Grundlage jedes
       Geschäftsmodells.
       
       Die Branche musste zum Umdenken gezwungen werden? 
       
       Umbruchsituationen sind Phasen, in denen wir sehr aufmerksam hinschauen.
       Das sind die Momente, in denen sich Chancen für neue Modelle ergeben. In
       den letzten Jahren haben wir erlebt, wie völlig neue Player die tradierte
       Industrie aufmischen.
       
       Die Hängepartie ist vorbei? 
       
       Ja, ich sehe das an !K7. Da ist das Digitalgeschäft inzwischen der
       Hauptreiber der Umsatzströme. Auch Streamingplattformen wie Spotify oder
       YouTube sind heute richtige Umsatzbringer. Das hat nach meiner Beobachtung
       ein Umdenken in der Musikbranche bewirkt. Ich spüre einen neuen Optimismus.
       Mit digitalen Produkten lässt sich Geld verdienen!
       
       Wovon Sie zuletzt gut profitiert haben. Zum Beispiel bei der Firma Aupeo,
       die eine Art Internetradio vor allem fürs Auto entwickelt hat. 
       
       Ja. Bei Aupeo sind wir 2008 eingestiegen. 2013 konnten wir die Firma
       erfolgreich an Panasonic verkaufen.
       
       Wie können Start-ups eigentlich Ihr Interesse wecken? 
       
       Man spricht uns einfach an oder umgekehrt. Wenn es spannend klingt, laden
       wir das Team zu einer Präsentation ein. Von unseren 17 Mitarbeitern kümmern
       sich drei speziell um Musik-Start-ups.
       
       Und wie schätzt man deren Aussichten ein? 
       
       Man braucht kein Spezialwissen, aber Branchenverständnis. Das gilt
       besonders für die Musikindustrie mit ihren komplizierten Rechtefragen. Kaum
       eine Bank versteht, was da eigentlich an Werten außerhalb der Bilanz
       vorhanden ist. Das muss man einschätzen können. Ich komme selbst aus der
       Musik- und Internetwirtschaft und war zehn Jahre lang aktiv Unternehmer.
       
       Haben Sie schon Firmen abgelehnt, die sich hinterher toll entwickelt haben? 
       
       Klar, das bleibt nicht aus in unserem Geschäft.
       
       Höchstwahrscheinlich gibt es auch eine Menge Traumtänzer unter den
       Start-up-Unternehmern. 
       
       In den letzten Jahren ging der Trend klar zu mehr Qualität. Aber es gibt
       immer mal wieder Kandidaten, bei denen man nach den ersten zehn Sekunden
       weiß, dass man das Gespräch nicht fortführen muss.
       
       Wie sehen die Musiker Sie eigentlich? Als Typen, der nur an ihrer Kunst
       verdienen will? 
       
       Wenn sie das denken, sagen sie es zumindest nicht laut. Ich mache aber
       keinen Hehl daraus, dass mein Job nicht die Künstlerförderung ist.
       Vermutlich stehe ich in den Augen mancher Musiker genauso auf der
       Kommerzseite wie die Majorlabels.
       
       6 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gunnar Leue
       
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