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       # taz.de -- Bedeutungsverlust des „Spiegel“: Genug der Dickhodigkeit
       
       > Der „Spiegel“ tut gut daran, sich von den Egomanen in seiner Redaktion zu
       > trennen. Autoren wie Matthias Matussek sind schlecht fürs Geschäft.
       
   IMG Bild: Inszeniert sich gerne: Matthias Matussek.
       
       Wenn der Spiegel früher unter eine Million Exemplare verkaufte, dann
       rauften sie sich in Hamburg die Haare. Mittlerweile dürfte die 900.000 als
       neues Ziel gelten, in den vergangenen Quartalen erreichte der Spiegel nicht
       mal das. Im Verlauf von zehn Jahren hat das Magazin fast 200.000 Käufer
       verloren. Ein Absturz, der sich nicht nur mit dem Verweis auf die
       Konkurrenz durch das Internet erklären lässt.
       
       Der Spiegel hat seinen Nimbus eingebüßt. Politiker bekommen keine feuchten
       Hände mehr, wenn sie ihn am Montag aufschlagen, und Titelgeschichten über
       Richard Wagner, die „Generation Stress“ oder Napoleon erinnern an GEO.
       
       Wer die Querelen um die Besetzung der Chefredaktion mitbekommen hat, muss
       zudem fürchten, dass ein Haufen zerstrittener Redakteure vor allem damit
       beschäftigt ist, seine Egos aufeinanderprallen zu lassen und Pfründen zu
       sichern.
       
       Das alles wirkt so gestrig wie der Gestus mancher Texte, in denen der
       Spiegel als eine der letzten Bastionen journalistischer Selbstgerechtigkeit
       erscheint – mit einer Alleswisser-Attitüde, die an die dickhodige Ära von
       Gerhard Schröder und Joschka Fischer gemahnt.
       
       ## Bedeutungsverlust durch Eitelkeiten
       
       Der Spiegel hat bereits eine deutliche Verjüngungskur hinter sich, auch
       arbeiten mittlerweile für seine Verhältnisse recht viele Frauen in der
       Redaktion, dennoch gibt es noch zu viele, die aus dem schleichenden
       Bedeutungsverlust keine Konsequenzen gezogen haben. Die gar nicht auf die
       Idee kommen, dass der vielleicht auch mit ihren Eitelkeiten zu tun hat.
       
       Einer davon war Matthias Matussek, der nun zur Welt geht und der den
       Spiegel zweckentfremdet hat – als Podium für seine kindischen
       Unkorrektheiten und als Werbemittel für die entsprechenden Bücher. So
       folgte seine Wandlung zum überzeugten Katholiken und Zölibatverteidiger
       demselben Kalkül, mit dem der Schweizer Roger Köppel gegen Flüchtlinge aus
       Afrika hetzt oder Henryk M. Broder mal diesen, mal jenen Kollegen als
       Antisemiten beschimpft: maximale Empörung bei minimalem intellektuellem
       Aufwand.
       
       Es hat erst des dramatischen Sturzes der Auflage bedurft und Matusseks
       entlarvenden Auftritt bei Kurt Krömer, um zu erkennen, dass Egomanen wie
       Matussek geschäftsschädigend sind – vor allem in einer Zeit, in der
       Journalisten durch die Konkurrenz wohlinformierter Blogs eine gewisse Demut
       zeigen sollten.
       
       Vielleicht gibt der neue Spiegel-Chefredakteur Wolfgang Büchner auch noch
       anderen ein Zeichen. Etwa Jan Fleischhauer, der auf der Behauptung, mal
       links gewesen und nun geläutert zu sein, seine berufliche Existenz aufbaut.
       Der in Kolumnen stolz erzählt, dass er unter Obama-Fans einer der wenigen
       mit Mitt-Romney-Sticker gewesen sei und im Radio auf die Frage, warum er
       FDP wählt, tatsächlich geantwortet hat: weil es sonst keiner tut. Das ist
       unter dem Niveau des Spiegels, wenn er wieder ernster genommen werden will.
       
       ## Anonyme Artikel als Lösung?
       
       Als weitere Maßnahme böte sich ein Bücherschreibverbot an. Manche
       Sachbücher, die Ausfluss langwieriger Recherchen sind, machen durchaus Sinn
       – aber die Anzahl der Romane, die mittlerweile von Spiegel-Redakteuren
       neben ihrem Job verfasst werden, korreliert auffällig mit dem
       Qualitätsverlust im Blatt. Und was gäbe es wohl in der feinfühligen
       Redaktion für einen Aufstand, wenn der neue Chefredakteur nebenbei Krimis
       schriebe.
       
       Dem Spiegel ist nur zu helfen, wenn er die ganzen Kollegen ziehen lässt,
       denen weniger am Blatt liegt als an ihrer eigenen Karriere. Vielleicht
       sollte Büchner erwägen, die Artikel wie früher anonym zu drucken – also
       ohne Namenszeile. Wie es der Economist macht, das mit Abstand bessere und
       vor allem: weniger geschwätzige Blatt.
       
       5 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Oliver Gehrs
       
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