# taz.de -- Mit Kopftuch im türkischen Parlament: Die letzte Bastion ist gefallen
> Unter Beifall der AKP betraten vier weibliche Abgeordnete das Parlament
> mit Kopftuch. Die Opposition sah den angekündigten Tabubruch gelassen.
IMG Bild: Inszenierter Tabubruch: Gulay Samanci (l.) von der AKP im türkischen Parlament.
ISTANBUL taz | In der Türkei ist am Donnerstag eine der letzten Bastionen
der früheren kemalistischen Türkei durch die islamische AKP-Regierung
geschleift worden: das Kopftuchverbot im Parlament. Unter dem Beifall ihrer
Fraktion betraten am Donnerstag vier weibliche Abgeordnete der AKP den Saal
mit Kopfbedeckung und nahmen auch so an der folgenden Debatte über ihren
Auftritt teil. Die Frauen waren zuvor jahrelang ohne Kopftuch ins Parlament
gegangen, wollten aber nun, nachdem das Verbot im öffentlichen Dienst vor
einem Monat aufgehoben wurde, das Verbot auch im Parlament nicht mehr
akzeptieren.
Von den drei Oppositionsparteien nahmen die kurdische BDP und die
ultranationalistische MHP den Tabubruch gelassen zur Kenntnis. Nur die
Republikanische Volkspartei CHP tat sich schwer mit der zuvor angekündigten
Aktion. Die Partei Mustafa Kemal Atatürks sieht sich zu mindestens in
Teilen immer noch als Bewahrer des Kemalismus, weshalb einige Abgeordnete
für einen größeren Aufruhr und den Boykott der Parlamentssitzung plädiert
hatten.
Letztlich setzte sich aber die moderatere Parteiführung durch, die nicht
„in die Falle der AKP“ tappen wollte. Sie beschränkte sich auf eine wütende
Rede ihres stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Muharrem Ince.
Das Kopftuch im Parlament habe nichts mit Demokratie zu tun, erklärte
dieser, sondern sei nur ein neuerlicher Versuch der AKP, sich wieder in die
Opferrolle zu bringen, obwohl sie es doch sei, die seit Jahren mit
absoluter Macht die Staatsgewalt ausübe. Statt mit Symbolen Politik zu
machen, solle die Regierung sich lieber um die sozialen Nöte der türkischen
Frauen kümmern.
## Noch 1999 gescheitert
Damit nahm die Parlamentssitzung, über die im Vorfeld in der gesamten
türkischen Presse viel Wind gemacht wurde, relativ unspektakulär ihren
Lauf. Das war allerdings bei dem ersten Versuch einer Abgeordneten der
damaligen islamischen Fazilet-Partei ganz anders gewesen. Sie hatte 1999
schon einmal versucht, mit Kopftuch an einer Parlamentssitzung
teilzunehmen. Sie war grob des Saales verwiesen worden, verlor ihre
Immunität und setzte sich in die USA ab, wo der Rest ihrer Familie lebte.
Eine andere, für die Republikanische Volkspartei weit wichtigere
Entscheidung für die Zukunft fiel parallel zur Parlamentssitzung in
Istanbul. Bei einem gemeinsamen Auftritt des Istanbuler Parteivorsitzenden
mit dem Bürgermeister des Bezirks Sisle, Mustafa Sarigül, wurde ein
monatelanges Tauziehen um die Rückkehr des populären Mustafa Sarigül in die
CHP beendet.
Der Mann war vor Jahren vom nationalistischen Flügel der CHP aus der Partei
gedrängt worden und wurde nun reumütig zurückgeholt. Damit ist es so gut
wie sicher, dass Sarigül bei den nächsten Wahlen für die CHP in Istanbul
antreten wird. Damit bekommt die AKP einen Konkurrenten, der das Zeug hat,
den amtierenden AKP-Bürgermeister zu schlagen.
31 Oct 2013
## AUTOREN
DIR Jürgen Gottschlich
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