# taz.de -- Kommunalwahlen in Kosovo: Militante Übergriffe und Drohungen
> Serbische Extremisten im Norden wollen verhindern, dass ihre Landsleute
> am Sonntag wählen gehen. Das ist diesmal gar nicht im Interesse Belgrads.
IMG Bild: Serben in Nordkosovo protestieren Mitte Oktober gegen die Kommunalwahlen am kommenden Sonntag.
SARAJEVO taz | Die für den kommenden Sonntag geplanten ersten landesweiten
Kommunalwahlen im Kosovo werden durch Drohungen von Extremisten der
serbischen Minderheit im Norden des Landes überschattet. Diese versuchen,
serbische Kandidaten und abstimmungswillige Bürger einzuschüchtern. Die
seit dem Kriegsende 1999 von Schmuggel und Drogenhandel lebende örtliche
Mafia und die bisherigen Machthaber wollen am Status quo festhalten und
keine Veränderungen zulassen.
Doch diesmal müssen sie sich nicht nur mit der UNO, der EU und der
Regierung in Prishtina, sondern auch mit der serbischen Regierung in
Belgrad anlegen. Die ist seit dem im vergangenen April geschlossenen
Abkommen mit der Kosovoregierung daran interessiert, nicht nur in den
serbischen Enklaven des Südens, sondern auch im Norden funktionierende
Gemeindevertretungen zu etablieren.
Gemäß dem Abkommen werden den serbischen Gemeinden weitgehende
Selbstverwaltungsrechte eingeräumt, andererseits werden sie jedoch auch in
den Staat Kosovo integriert. Nach den Wahlen werden künftig Ärzte, Lehrer,
Polizisten und Verwaltungsbeamte nicht mehr von Belgrad, sondern allein aus
dem Budget Kosovos bezahlt. Die bisher von Belgrad dirigierte serbische
Polizei muss sich auch im Norden in die Kosovopolizei eingliedern.
All dieses wollen die bisherigen Machthaber und die Mafia im Norden
verhindern. Sie versuchen, wahlwillige Bewohner der Region einzuschüchtern,
Kandidaten der zur Wahl antretenden Parteien klagen über Bedrohungen. Die
serbischen Extremisten haben mit ihrem Terror Erfolg. Nach einer Umfrage
der UN werden am Sonntag im Norden nicht mehr als 20 Prozent der Wähler zu
den Urnen gehen, während in den serbischen Gemeinden des Südens mit einer
Wahlbeteiligung von 50 Prozent gerechnet wird.
## Sieben Parteien treten an
Deshalb tritt Belgrad vehement für die Teilnahme der Kosovoserben an den
Kommunalwahlen ein. Sieben Parteien werben um die Stimmen der Wähler. Trotz
aller Schwierigkeiten rechnen Beobachter damit, dass die Wahlen frei und
fair verlaufen werden. Als legitime Institutionen werden die neuen
Gemeindevertretungen dann an die Umsetzung des Abkommens gehen und
staatliche Institutionen wie beispielsweise Schulen, die Universität in
Mitrovica und Krankenhäuser in die Strukturen Kosovos integrieren müssen.
Dieser Prozess dürfte neue Konflikte hervorrufen. So erklärt ein Mann in
Nordmitrovica: „Es ist fraglich, ob die bisherigen Gemeindevertretungen
ihre Gebäude den neu gewählten Vertretungen einfach überlassen.“ Doch klar
ist auch, dass Serbien mit dem April-Abkommen vom April ein Interesse an
dessen Durchsetzung hat. Denn davon hängt ab, ob Belgrad demnächst
Gespräche mit Brüssel über die Integration des Landes in die EU wird
aufnehmen können.
Den Extremisten im Norden scheinen die Felle davonzuschwimmen. Denn die
Stimmen, die fordern, die Verantwortlichen für militante Übergriffe auf
Mitarbeiter internationaler Institutionen festzunehmen und zu bestrafen,
werden lauter. So appellierte der Serbenpolitiker Oliver Ivanovic, der für
den Posten des Bürgermeisters in Nordmitrovica kandidiert, an die
internationale Polizei, die KFOR sowie die serbische Polizei, endlich zu
handeln. Nicht einmal jene, die auf Vertreter der Rechtsstaatsmission Eulex
geschossen und vor einigen Wochen einen Mitarbeiter getötet hatten, seien
festgenommen worden, beklagen auch andere Wahlkämpfer.
Angesichts des militanten Widerstands der serbischen Extremisten ist es
seit dem Kriegsende 1999 weder der UNO noch Eulex, der EU-Polizei oder den
Soldaten der Kosovo-Force KFOR gelungen, den Norden Kosovos nachhaltig zu
kontrollieren. Doch das soll jetzt anders werden. Um die Integration des
Nordens in das Kosovosystem zu bewältigen, finden derzeit ständig in
Brüssel technische Gespräche zwischen Serbien und Kosovo unter Vermittlung
der EU statt. Im Verlauf dieser Gespräche sollen Details für das weitere
Vorgehen beider Seiten festgelegt werden. Nach den Kommunalwahlen wird sich
zeigen, ob Prishtina und Belgrad dabei erfolgreich sein werden.
2 Nov 2013
## AUTOREN
DIR Erich Rathfelder
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