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       # taz.de -- Coffeeshop im Görlitzer Park: Dope, Love and Happiness
       
       > Im Görlitzer Park in Berlin könnte bald der erste Coffeeshop Deutschlands
       > eröffnen. Die taz war schon mal da. Es ist eine Oase des Friedens.
       
   IMG Bild: Für viele Touristen ist Kiffen im Park das tollste der Welt.
       
       BERLIN taz | „Das ist doch alles sehr schön geworden hier!“ Mit
       entspanntem, fast entrücktem Lächeln steht Bezirksbürgermeisterin Monika
       Herrmann (Grüne) im Eingangsbereich des ersten Coffeeshops Deutschlands,
       hier im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg. „Kommen Sie rein, schauen Sie
       sich um. Aber seien Sie bitte leise!“
       
       An den Tischen sitzen ruhige, glücklich und träumerisch wirkende Menschen,
       die friedlich Tüten kreisen lassen. Hier gibt es alles, was das Herz der
       Hanffreunde begehrt. Ganz legal, wie Herrmann betont. Die Nachfrage sei
       groß. Das Café entwickle sich zu einem betriebswirtschaftlichen Erfolg und
       führe zu einer enormen Aufwertung des Wohnumfelds. Der Görlitzer Park ist
       wieder eine Oase des Friedens. Das komme auch den wohlhabenderen
       Neuanwohnern entgegen, denn die bekifften Cafébesucher seien schön ruhig.
       
       Natürlich, Probleme habe es anfangs schon gegeben, gibt Herrmann zu. Das
       Café entwickelte sich zu einem Anziehungspunkt auch für Touristen und die
       Bewohner anderer Bezirke. „Sie machen sich keine Vorstellungen, was hier
       los war“, erinnert sich Herrmann schaudernd, „wir hatten Schöneberger hier,
       Neuköllner, sogar Weddinger!
       
       Viele sind nicht mal mit der U-Bahn angereist, sondern mit dem Auto! Das
       soziale Gefüge drohte zu kippen, das sind ja nicht alles Akademiker, wenn
       Sie verstehen …“ Gerade mit manchem Weddinger mit Migrationshintergrund
       habe es Schwierigkeiten gegeben, „wenn sie unsere Mitarbeiter als, also
       dieses N-Wort eben, bezeichnet oder den Kreuzbergerinnen hinterher
       gepfiffen haben. Einmal sogar mir!“ Man spürt: Herrmann könnte sich leicht
       empören, aber sie lächelt weiter entrückt.
       
       Auch die Touristen haben genervt, viele waren einfach zu laut, oft auch
       alkoholisiert. „Manche haben Bier getrunken!“, ekelt sich Herrmann. „Wir
       haben ja nichts gegen Touristen“, betont die tolerante
       Bezirksbürgermeisterin, „einige meiner besten Freunde sind Touristen. Wenn
       ich sie auf Gomera treffe.“ Aber man habe sich fremd im eigenen Kiez
       gefühlt: „Viele Touristen trennen den Müll nicht, manche verlangten nach
       Würsten oder Nackensteaks, die kennen sich halt nicht so gut aus hier.“
       Strikte Einlasskontrollen hätten für Ruhe gesorgt.
       
       ## Beste Bioqualität
       
       „Unser Hasch ist bester Bioqualität“, betont Herrmann stolz, „und
       CO2-neutral.“ Wir fragen nach, wie das funktioniert. „Wir setzen
       ausschließlich auf Zulieferer, die die Rohstoffe persönlich aus Afrika
       herbringen, mit dem Schiff.“ Bekanntlich sei die Route übers Mittelmeer die
       klimafreundlichste Transportmöglichkeit, zumal in großen Fahrgemeinschaften
       unter optimaler Auslastung der Verkehrsmittel.
       
       Aber was denn mit den früheren Dealern sei, wollen wir wissen. Diese seien
       nun ganz offiziell Handelsvertreter. Man habe erst überlegt, das Hanf
       selbst anzubauen, wegen der schlechten Energiebilanz davon aber Abstand
       genommen. Stattdessen gebe es jetzt Lieferantenverträge. Um soziale Härten
       zu vermeiden, toleriere der Bezirk parallel noch einige Privatgeschäfte.
       
       ## Die Welt ist in Ordnung
       
       Nachdem der Tagesspiegel 2013 aufgedeckt hatte, dass Hunde im Görlitzer
       Park gern Kot von Junkies naschen, um high zu werden, habe man überlegt,
       diese Sparte auch im Café zu bedienen. Aber nun überließe man das
       „Geschäft“, Herrmann zwinkert vielsagend, informell den früheren Dealern,
       die nun also die Besitzer süchtiger Hunde mit „Shit“ – lächelnd zeigt sie
       Anführungszeichen mit den Fingern – versorgen. So hätten diese Menschen,
       das seien ja meistens arme Flüchtlinge, wenigstens eine sinnvolle
       Beschäftigung, und gleichzeitig würde der Park unentgeltlich gesäubert.
       
       Wir sind beeindruckt. In Kreuzberg ist die Welt wieder in Ordnung. Herrmann
       lädt uns auf einen Joint ein, wir lehnen dankend ab und zünden uns eine
       Zigarette an. Herrmann erbleicht. Dann pfeift sie laut auf ihren Fingern,
       zwei kräftige Schwarze kommen in den Gastraum, treten an unseren Tisch,
       packen uns und führen uns nach draußen. „Hier herrscht strenges
       Rauchverbot!“, keift Herrmann uns hinterher und wirkt auf einmal überhaupt
       nicht mehr entspannt: „Sind Sie wahnsinnig? Lassen Sie sich hier nie wieder
       blicken!“ Die beiden Security-Kräfte begleiten uns zum Eingang des Parks
       und empfehlen uns nachdrücklich, besser ganz aus Kreuzberg zu verschwinden.
       Eilig machen wir uns davon.
       
       31 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heiko Werning
       
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