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       # taz.de -- Dänen und Pinsel: Die Verwandten aus Dänemark
       
       > Die Hamburger Kunsthalle beschäftigt sich mit dem Aufbruch in die
       > Moderne, den die dänische Kunst im 19. Jahrhundert vollzieht.
       
   IMG Bild: Auch Eckersbergs Seefestung zeigt die Kunsthalle.
       
       Am Anfang der Hamburger Elbchaussee erinnert eine große rote Flagge mit
       weißem Kreuz daran, dass Altona und Schleswig-Holstein bis 1864 unter
       dänischer Oberhoheit standen. Noch 2011 galt die erste Auslandsreise des
       frisch gewählten Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz der dänischen
       Hauptstadt Kopenhagen. Und seit 2012 gibt es besondere Vereinbarungen zur
       kulturellen Zusammenarbeit von Hamburg und Kopenhagen.
       
       [1][„Dänemarks Aufbruch in die Moderne“] heißt nun eine Ausstellung in der
       Hamburger Kunsthalle zur dänischen Malerei von der ersten Hälfte des 19.
       Jahrhunderts bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts.
       
       Gezeigt wird, wie sich die entscheidende Wende der dänischen Kunst hin zur
       Moderne vollzieht. Zu sehen sind alle wichtigen Künstler dieser Zeit: von
       den Malern des „Goldenen Zeitalters“ wie Christoffer Eckersberg und
       Christen Købke bis zu den späteren Impressionisten wie Anna Ancher oder
       Peder Severin Krøyer und Symbolisten wie Vilhelm Hammershøi.
       
       ## Nicht das erste Mal
       
       Es ist nicht die erste Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle, die sich
       mit dänischer Kunst beschäftigt. Im Jahr 2000 zeigte die Ausstellung „Frühe
       Freilichtmalerei in Dänemark und Norddeutschland“ die Bezüge zwischen der
       deutschen Romantik im Umkreis von Caspar David Friedrich und der dänischen
       Kunst der Schule von Christoffer W. Eckersberg (1783–1853).
       
       Der melancholische Maler Vilhelm Hammershøi (1864–1916) mit seinen stillen,
       seltsam reduzierten und zeitlosen Interieurs wurde dann 2003 präsentiert.
       
       Die aktuelle Ausstellung ist nun zugleich ein Austauschprojekt: Die
       Hamburger Kunsthalle zeigt rund 80 Arbeiten aus der Kopenhagener Sammlung
       Hirschsprung und schickt im Gegenzug über 60 Werke von der Romantik bis zum
       Impressionismus aus dem eigenen Bestand nach Kopenhagen.
       
       ## Plüschige Repräsentation
       
       In der Ausstellung geben historische Fotos zwischen plüschiger
       Repräsentation in der Stadt und ländlicher Lebensreform eine Vorstellung
       von der Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts. Politisch musste Dänemark im 19.
       Jahrhundert immer mehr Macht abgeben.
       
       Nach der Zerstörung Kopenhagens durch England in den Napoleonischen Kriegen
       und dem Verlust Norwegens bewirkte der klassizistische Wiederaufbau der
       Hauptstadt das, was dort das „goldene Zeitalter“ genannt wird.
       
       Und nach der Niederlage 1864 gegen Preußen und Österreich befreiten die
       Künstler – auch durch das Vorbild der französischen Malerei der Zeit –
       ihren Blick auf das Land und die Menschen von historischem Pathos, fanden
       zu Realismus, Impressionismus und Symbolismus.
       
       ## Unangemessene Motive
       
       Auf der Suche nach dem Alltäglichen findet die Malerei auch im
       Schlafzimmer, Kinderzimmer und Krankenzimmer bildwürdige Themen: Lebensgroß
       und schwanger malt Michael Ancher seine Frau Anna 1884, und Peder Severin
       Krøyer zeigt 1889 seine Frau im Morgengewand bei der Toilette. Beides galt
       als unangemessen.
       
       Nicht nur das große Landschaftsbild, auf dem angeleinte Hausgänse den frei
       fliegenden Wildgänsen nachschauen, lässt ahnen: Der Spagat zwischen
       konservativ-bürgerlichen Erwartungen und modernem Anspruch auf Freiheit und
       Gleichheit muss oft gewaltig gewesen sein.
       
       Ohne einen Sammler und Mäzen wie Heinrich Hirschsprung, der ab 1872
       zeitgenössische Künstler unterstützte, wären manche der Bilder erst gar
       nicht entstanden. Doch auch ohne allzu tiefen historischen Hintergrund
       lässt sich auf den Bildern viel entdecken: Die Reflexe des Lichtes auf dem
       Meer bei den Skagener Malern, die Spinne, die Christen Dahlgaard ins
       Fenster über der ihren Liebsten erwartenden Frau setzt oder der leuchtende
       Schweißtropfen an der Nase bei Peder Severin Krøyers schwitzigem
       Arbeitsbild eines Hutmachers.
       
       Noch nie hat die vom Tabak-Fabrikanten [2][Heinrich Hirschsprung]
       (1836–1908) aufgebaute, seit 1911 in einem eigenen Museum gezeigt Sammlung
       derart viele und für die dänische Kunst zentrale Bilder gleichzeitig
       verliehen.
       
       So ist jetzt in Hamburg ein exemplarischer Durchgang von der akademischen
       Genre- und Landschaftsmalerei des frühen 19. Jahrhunderts zu den
       realistischen Bildern des sogenannten „Modernen Durchbruchs“ zu sehen. Die
       Höhepunkte der Ausstellung sind die riesigen Landschaftsgemälde von Peder
       Severin Krøyer „Sommertag am Südstrand von Skagen“ oder „Sommerabend am
       Strand von Skagen“, das den Künstler mit seiner Frau zeigt.
       
       Für die ungewöhnliche Zusammenarbeit zwischen der Hamburger Kunsthalle und
       der Sammlung Hirschsprung gibt es ein wenig bekanntes Vorbild: [3][Alfred
       Lichtwark,] der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle mit Amtsantritt im
       Jahr 1888, war regelmäßig in Kopenhagen und hatte auch Heinrich
       Hirschsprung mehrfach getroffen.
       
       Lichtwark war begeistert, dass es ein bürgerlicher Fabrikant war, der im
       königlichen Dänemark eine derartig aktuelle Kunstsammlung aufbaute. Er fand
       dies für Hamburg ebenso vorbildhaft, wie die Förderung der einheimischen
       Maltradition.
       
       Lichtwark, der ganz gut Dänisch sprach, sah zudem in der Hamburger und der
       Kopenhagener Kunst des 19. Jahrhunderts etliche Verwandtschaften – die
       aktuelle Ausstellung spürt dem nach und gibt auf zehn kleinen, am Fußboden
       auf Winkeln montierten Bildreproduktionen und einem Begleitheftchen
       Verweise auf „Bilderbrücken“ in die Sammlung der Kunsthalle.
       
       29 Oct 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.hamburger-kunsthalle.de/index.php/home.html
   DIR [2] http://www.jewishencyclopedia.com/articles/7766-hirschsprung-heinrich
   DIR [3] http://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Lichtwark
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hajo Schiff
       
       ## TAGS
       
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