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       # taz.de -- Kommentar NSA-Affäre: Projekt Gegenaufklärung
       
       > Es wäre fatal, jetzt Geheimdienste aufzurüsten, um die US-Schnüffelei
       > einzudämmen. Notwendig sind massenkompatible Verschlüsselungstechniken.
       
   IMG Bild: Eine Gegenmaßnahme ist, sich aus der US-Abhängigkeit bei der Software zu befreien.
       
       Spätestens mit der Attacke auf das Telefon der Frau Kanzlerin haben auch
       die staatsbürgerlichsten Konservativen gemerkt, dass da in Sachen
       Grundrechtsschutz wohl etwas schiefgelaufen ist. Diese späte Einsicht
       eröffnet nun einen politischen Handlungsraum.
       
       Endlich fragen sich viele: Welche Konsequenzen kann ein Land wie
       Deutschland aus der Erkenntnis ziehen, dass gegenwärtig offenbar niemand
       der digitalen Willkür fremder Staaten entkommen kann?
       
       Es gibt einige Antworten auf diese Frage. Die langweiligste, vielleicht
       wahrscheinlichste, lautet: Es wird kaum Konsequenzen aus dieser Affäre
       geben – weil die technischen und strategischen Mittel deutscher Behörden zu
       schwach sind. Deutschland ist, so heißt es, schlicht abhängig vom Wissen
       der anderen.
       
       Staatstheoretiker wissen nicht erst seit der Lektüre Niccolò Machiavellis,
       dass Abhängigkeit eine schlechte Ausgangsposition zur Durchsetzung eigener
       Interessen ist. Wie aber kann Deutschland, wie kann Europa eine politische
       Autonomie erlangen, um seinen Bürgern künftig das Mindeste – die Wahrung
       ihrer Grundrechte – zuzusichern? Es braucht ein Projekt der
       Gegenaufklärung.
       
       Dieses Projekt kann zwei Gesichter haben: Schon melden sich jene, die die
       Gelegenheit der nachrichtendienstlichen Aufrüstung nutzen wollen. Wenn
       Deutschland ernst genommen werden will, so argumentiert etwa
       Zeit-Herausgeber Josef Joffe, müsse es seine nachrichtendienstliche
       Aufklärung maximieren: Erst wenn Obama Angst bekommt, so die Logik, wird er
       sich bewegen. Willkommen in der Vergangenheit.
       
       Eine fortschrittliche Vision von Europa beruft sich dagegen auf den
       ideengeschichtlichen Wert der Aufklärung. Verteidigung der Freiheit – statt
       Angriff. Europa hat nun die Chance, das konkret zu machen. Dies verlangt,
       zum Beispiel, massive staatliche Investitionen zur Entwicklung
       quelloffener, frei zugänglicher und massenkompatibler
       Verschlüsselungstechniken.
       
       Verschlüsselung muss im 21. Jahrhundert nicht nur ein Grundrecht sein,
       sondern auch so einfach zu handhaben sein, wie es die Telefonwählscheiben
       früher waren. Das zu ermöglichen ist eine Staatsaufgabe und erfordert ein
       Umdenken im Europa der Vorratsdatenspeicherung, wo etwa in Großbritannien
       die Freiheitsrechte der Presse massiv attackiert werden. Das Projekt
       Gegenaufklärung kommt nicht von allein – es muss erkämpft werden.
       
       29 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Kaul
       
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