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       # taz.de -- Kommentar Bosporustunnel: Auf dem richtigen Gleis
       
       > Erdogans Megaprojekte in Istanbul stehen zu Recht in der Kritik. Doch der
       > neue Eisenbahntunnel ist eine Ausnahme. Er verschafft der Stadt Luft.
       
   IMG Bild: Kann endlich durchfahren: der Orient-Express, hier beim Halt in Istanbul.
       
       Als der persische Großkönig Dareios I. im 5. Jahrhundert v. Chr.
       Griechenland erobern wollte, standen seine Truppen eines Tages am Bosporus
       und den Dardanellen und kamen nicht weiter. Genauso ging es Alexander dem
       Großen gut 200 Jahre später auf dem umgekehrten Weg von West nach Ost. Die
       Meerengen zwischen dem Schwarzen Meer und der Ägäis galten seit der Antike
       als großes Verkehrshindernis zwischen Europa und Asien.
       
       Seit heute verbindet ein Eisenbahntunnel, durch den auch die Istanbuler S-
       und U-Bahnen fahren sollen, die Kontinente. Türkische Kommentatoren und
       Regierungschef Tayyip Erdogan, beide um Superlative selten verlegen,
       träumen nun von der Seidenstraße auf Schienen, die die Metropolen des alten
       Kontinents ohne Unterbrechung mit dem Fernen Osten verbinden sollen.
       
       Ob diese Vision jemals ökonomisch relevant wird muss die Zukunft zeigen.
       Für die Metropole Istanbul aber hat die verkehrspolitische Zukunft jetzt
       begonnen. Mit dem knapp zwei Kilometer langen Tunnel unter dem Bosporus
       wurde das Kernstück für das S- und U-Bahnnetz der Stadt eröffnet, das
       Teilstück, das die bereits bestehenden Schienenstränge sinnvoll verbindet.
       
       Erdogan und seine Regierung sind seit längerem völlig zu Recht in der
       Kritik für die Art und Weise, in der sie die uralte Metropole am Bosporus
       mit verschiedenen Bauvorhaben zubetonieren und ihr langsam die Luft zum
       Atmen nehmen. Die Wut darüber war eines der Motive für die Gezi-Proteste im
       Sommer.
       
       Doch der Eisenbahntunnel unter dem Bosporus unterscheidet sich
       grundsätzlich von anderen Infrastruktur-Projekten wie dem dritten
       Großflughafen, einer dritten Autobahnbrücke über den Bosporus oder gar
       einem neuen Kanal zwischen dem Schwarzen und dem Marmara Meer.
       
       Während diese Megaprojekte die Umwelt zerstören und der
       Immobilienspekulation dienen, ist der Effekt des Tunnels ein genau
       gegenteiliger: Er verschafft der Stadt Luft. Weil er hoffentlich dazu
       führt, dass zukünftig weniger Autos im Dauerstau auf den überlasteten
       Bosporus-Brücken stehen. Gut 1,5 Millionen Menschen können jetzt jeden
       Morgen und Abend mit der S-Bahn von Asien nach Europa fahren. Endlich mal
       ein Schritt in die richtige Richtung.
       
       Als nächstes muss nun die Innenstadt für Autos gesperrt und stattdessen
       mehr Straßenbahnen gebaut werden.
       
       29 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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