# taz.de -- Naziszene im Südwesten (Teil 1): Heil Bronn!
> In Heilbronn wurde Michèle Kiesewetter ermordet, die Stadt hat ein
> Problem mit Nazis. Doch Lokalpolitik und Polizei wollen davon nichts
> wissen.
IMG Bild: „Wir erkennen keine organisiert-strukturierte rechte Szene“, sagt der Kripo-Chef von Heilbronn.
BERLIN taz | Vielen ist Heilbronn allenfalls durch die Verkehrsnachrichten
bekannt: eine Stadt, irgendwo im Süden Deutschlands, die an einer Autobahn
liegt, auf der es sich häufig staut. Weniger bekannt: Es ist auch die
Stadt, in der der NSU-Trupp 2007 mutmaßlich die Polizistin Michèle
Kiesewetter hinrichtete. Dass die Gruppe Verbindungen in den Raum Heilbronn
hatte, kann nicht ausgeschlossen werden, die dortige Naziszene ist eine der
aktivsten in Baden-Württemberg. Doch die örtliche Polizei und die
Stadtverwaltung reden das Problem klein.
Städte, in denen Rechtsradikale aktiv auftreten und demonstrieren, gibt es
viele. Heilbronn ist da kein Einzelfall. Ob im Osten oder Westen – häufig
verharmlosen die örtlichen Behörden ihre neonazistische Szene. Heilbronn
steht für jene Städte, die eine solche aktive Naziszene haben, deren
Existenz von den Verantwortlichen bei Polizei und Stadtverwaltung aber
unterschätzt, ignoriert oder gar bestritten wird.
Dabei kamen 2011 mit dem Auffliegen der Zwickauer Terrorzelle in Heilbronn
unbequeme Fragen auf: Wie gefährlich ist die Naziszene vor Ort? Hatten die
Terroristen möglicherweise Komplizen aus der Region? Die Heilbronner
Polizei beruhigte damals: Kripochef Volker Rittenauer sagte, dass es zwar
die NPD gäbe, diese aber nicht sehr stark sei. Dazu kämen „nicht
strukturierte Grüppchen von drei bis fünf Personen“. Insgesamt bezifferte
er die Zahl auf „weit unter 50“ Aktive, bei denen er keine
Gewaltbereitschaft erkannte.
Daran hält der stellvertretende Kripochef, Klaus Müller, auch heute fest:
„Wir erkennen keine organisiert-strukturierte rechte Szene.“ Es handle sich
um Einzelpersonen, sagt auch der stellvertretende Leiter der Abteilung
Staatsschutz, Lars Fuhrmann. Zehn bis 25 Personen aus dem rechten Spektrum
sind seiner Abteilung bekannt.
## Unpolitische Einzeltäter
Nach taz-Recherchen kann von dieser Einschätzung nicht die Rede sein,
vieles spricht für das Gegenteil: In der Vergangenheit traten Nazis immer
wieder auf, begingen auch Straftaten. Zum Beispiel am 20. April 2010 –
Hitlers Geburtstag. Drei Männer und eine Frau verübten einen Brandanschlag
auf einen türkischen Supermarkt unweit von Heilbronn. Von einer politisch
motivierten Straftat wollte die Polizei Heilbronn damals nicht sprechen,
der Supermarktbesitzer hingegen schon. Immerhin wurde gegen einen der Täter
laut Staatsanwaltschaft bereits wegen Hakenkreuzschmierereien ermittelt.
Die Beschuldigten wurden rechtskräftig zu Haftstrafen verurteilt, die
allesamt auf Bewährung ausgesetzt wurden. Im Urteil gegen die Täter ist
zwar festgehalten, dass die Tat aus „dumpfer Ausländerfeindlichkeit“
begangen wurde. Der Staatsschutz pocht heute dennoch darauf, dass es
unpolitische Einzeltäter gewesen seien, die „im Suff auf diese Idee“ kamen.
2011 durchsuchte die Polizei in Baden-Württemberg die Wohnungen von
Rechtsextremisten, darunter auch mehrere im Landkreis Heilbronn. Die
Beschuldigten werden verdächtigt, eine kriminelle Vereinigung namens
„Standarte Württemberg“ gegründet zu haben. Laut Staatsanwaltschaft hat
sich die Gruppe zum Ziel gesetzt, Migranten gewaltsam aus Deutschland zu
vertreiben. Bei den Durchsuchungen fand die Polizei unter anderem eine
Pistole und über 100 Schuss Munition.
All diese Fälle sind offensichtlich nicht in die Bewertung der rechten
Szene durch die Polizei geflossen. Und auch dem Heilbronner
Oberbürgermeister Helmut Himmelsbach (parteilos) liegen keine Erkenntnisse
zu rechten Strukturen vor. Handlungsbedarf gegen rechte Umtriebe sieht er
auf Verwaltungsebene nicht. Programme oder eine Fachstelle gegen
Rechtsextremismus: Fehlanzeige.
[1][Hier geht es zu Teil 2 des Artikels.]
28 Oct 2013
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## AUTOREN
DIR Laura Esslinger
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