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       # taz.de -- Juristin über tote Hyperlinks: „Die digitale Welt schluckt Quellen“
       
       > Das „Harvard Innovation Lab“ verhindert, dass Webverweise ins Nichts
       > führen. Tote Links sind ein Problem für die Wissenschaft, sagt Leiterin
       > Kim Dulin.
       
   IMG Bild: Nicht nur im Fußball problematisch: Eine kaputte Vernetzung.
       
       Wie sind Sie auf die Problematik toter Links im Internet gekommen? 
       
       Das war die Idee von Jonathan Zittrain, Professor der Juristik und Prodekan
       an der juristischen Bibliothek in Harvard. Professor Zittrain war besorgt
       um das Problem toter Verweise in Publikationen. In einer Studie hat er
       herausgefunden, dass 70 Prozent der Links nicht mehr funktionieren, die in
       einer Stichprobe von juristischen Fachzeitschriften zwischen 1999 und 2001
       zitiert wurden.
       
       Warum ist es wichtig, das Phänomen toter Links wissenschaftlich zu
       untersuchen? 
       
       Es ist wichtig, das Problem nachzuweisen. Wir müssen ein Gefühl dafür
       bekommen, wie schnell es geschieht, dass ein Link nicht mehr funktioniert
       und wie dies zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen
       variiert. Wenn wir das herausgefunden haben, dann können wir Lösungen
       finden, um das Problem zu beheben.
       
       Was ist so schlimm an toten Links? 
       
       Ein Großteil unseres akademischen Wissens existiert heute ausschließlich im
       Web. Wissenschaftliche Publikationen existieren häufig nur in einem
       Online-Format, wichtige Forschungsergebnisse und öffentliche Quellen sind
       nur auf Webseiten zu finden. Wissenschaftler richten sie nach der Relevanz
       der Quelle – egal, ob diese im Internet steht oder auf Papier. Es ist
       wichtig, dass diese zitierten Nachweise erhalten bleiben. Denn nur so
       können Forscher, die später auf diese Quellen treffen, darauf zurückgreifen
       und sich darauf beziehen.
       
       Wieso werden die Links von den Seitenbetreibern nicht erhalten? 
       
       In der gedruckten Welt können Wissenschaftler in Bibliotheken gehen, um
       zitierte Quellen zu prüfen, denn Bibliotheken bewahren die gedruckten
       Dokumente auf. Das ist in der digitalen Welt jetzt anders. Webseiten
       verändern sich, Material wird von ihnen heruntergenommen, Internetseiten
       gehen offline. Es ist sogar schon ein Problem, wenn Material innerhalb der
       Webseite bewegt wird. Angenommen eine Webseite organisiert ihren Inhalt neu
       oder ändert das Content-Management-System, mit dem sie arbeitet. Dann hat
       der Inhalt eine neue URL, der alte Verweis ist tot.
       
       Welche Links versuchen Sie zu retten? 
       
       Wir wollen einen Service für Juristen anbieten, Internetquellen zu sichern,
       die in juristischer Literatur und in von Gerichten veröffentlichten
       Beschlüssen zitiert werden. Zurzeit sind wir nur auf diese Links
       fokussiert. Aber es gibt keinen Grund, unsere Seite nicht auch für alle
       anderen Typen von akademischer – und auch nicht akademischer– Literatur zu
       nutzen.
       
       Wie wollen Sie tote Verweise am Leben erhalten? 
       
       Jede Referenz auf eine Online-Quelle wird einer URL unserer Seite
       zugewiesen. Editoren von Fachzeitschriften oder diejenigen, die
       Gerichtsurteile produzieren, geben die URL ihres Inhaltes auf unserer Seite
       ein. Wir kopieren den Inhalt auf unsere Webseite und ein Perma-Link wird
       erstellt. Der Inhalt bleibt dann auf unserem Server, der im Moment von der
       juristischen Fakultät in Harvard gehostet wird. Wir hoffen, dass in Zukunft
       verschiedene juristische Bibliotheken den Inhalt beherbergen.
       
       Wer arbeitet an der Webseite? 
       
       Das Team besteht aus Entwicklern des Harvard Library Innovation Lab.
       Außerdem arbeiten Bibliothekare und Professor Zittrains wissenschaftliche
       Mitarbeiter mit.
       
       Arbeiten schon andere Bibliotheken mit? 
       
       Ja, auch andere juristische Fakultäten und Gerichte versuchen, das Prinzip
       von Perma in ihren lokalen Verbreitungsgebieten zu nutzen. Fast alle
       amerikanischen Jura-Fachbereiche bringen auch Journale heraus. Diese werden
       von Studenten online gestellt, produzieren aber trotzdem sehr viel
       juristisch relevante Inhalte.
       
       Gibt es eine andere Möglichkeit, tote Links zu erhalten? 
       
       Ja, viele andere Stellen arbeiten daran. Das [1][Internet-Archiv] zum
       Beispiel. Dessen „Way-Back-Machine“ crawlt Webseiten und erhält sie. Eine
       gute Arbeit auf dem Gebiet macht auch das Los Alamos Lab. Es entwickelt ein
       Werkzeug namens [2][Memento], dass Web-Inhalte
       speichert[3][http://mementoweb.org/]. Außerdem gibt es einen Service mit
       dem Namen [4][webcitation.org], der die Links von akademischen Kreisen
       sichert.
       
       29 Oct 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://archive.org/
   DIR [2] http://mementoweb.org/
   DIR [3] http://mementoweb.org/
   DIR [4] http://webcitation.org/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Neumann
       
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       als ein bisschen klüger.