# taz.de -- Merkel harmonisiert die EU-Politik: Eine Agenda 2010 für alle
> Beim EU-Gipfel macht die Bundeskanzlerin klar, dass sie nach dem Sparkurs
> nun Reformen diktieren will. Die Bürger werden nicht beteiligt.
IMG Bild: Kleine Diktatorin? Auf Bürgerbeteiligung legt Kanzlerin Angela Merkel jedenfalls keinen großen Wert
BRÜSSEL taz | Nach den Spar-Diktaten sollen die Reform-Diktate kommen: Beim
EU-Gipfel in Brüssel drängte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre
Amtskollegen, die Wirtschaftspolitik zu harmonisieren und die
„Wettbewerbsfähigkeit“ zu steigern. Kritiker aus den Gewerkschaften und
Sozialverbänden fürchten eine Agendapolitik für die gesamte Eurozone.
„Wir sind der Meinung, dass das derzeitige System der
wirtschaftspolitischen Koordinierung nicht ausreicht“, sagte Merkel. Bisher
würden nur zehn Prozent der Empfehlungen der EU-Kommission umgesetzt.
Allerdings ist die Anpassung auch noch relativ neu. Erst vor zehn Tagen
wurde eine verschärfte Überwachung der Budgetpolitik eingeführt. Die
Empfehlungen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik sind noch unverbindlich.
Genau das will Merkel nun ändern. Sie fordert, dass sich alle Euroländer zu
Arbeitsmarkt- und Sozialreformen verpflichten – und nicht nur wie bisher
die mit Milliardenhilfen gestützten Krisenländer.
Als Vorbild gilt dabei – wenn auch unausgesprochen – die deutsche Agenda
2010. Die Bundesregierung hatte vor allem Frankreich immer wieder gedrängt,
das Rentenalter zu erhöhen und den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren.
## Neuordnung ja, aber nicht um jeden Preis
Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande war jedoch bisher nicht
bereit, der deutschen Forderung nach verbindlichen „Reformverträgen“
nachzukommen. In einem mit Merkel abgestimmten Papier vom Mai bekannte er
sich zwar zu Neuordnungen. Doch um welche Politikbereiche es gehen soll und
wie sich die Performance eines Landes messen lässt, ist umstritten.
Vor allem aber fordert Hollande als Gegenleistung mehr deutsche Solidarität
– etwa in Form einer ergänzenden Arbeitslosenkasse, die die Euro-Länder
gemeinsam finanzieren sollen. Auch Ratspräsident Herman Van Rompuy hat sich
für eine gemeinsame Budgetlinie ausgesprochen, um „asymmetrische Schocks“
wie eine plötzliche Rezession in einem Land abfedern zu können.
## Bürgerbeteiligung ist nicht vorgesehen
Beim EU-Gipfel einigte man sich nun auf einen Kompromiss: Merkel soll ihre
„Reformverträge“ beim nächsten Cheftreffen im Dezember bekommen – aber es
sind auch „Solidaritäts-Mechanismen“ geplant. Wie genau die aussehen
könnten, blieb offen. Klar ist, dass nach den Spar- nun auch Reform-Diktate
drohen: Die Bürger der betroffenen Länder werden nicht beteiligt.
Einen Kompromiss gab es auch bei der Bankenunion: Bei der heftig
umstrittenen Frage, wie Pleite-Banken geordnet und gemeinsam abgewickelt
werden können, will man sich ebenfalls im Dezember einigen. Offiziell
besteht zwischen beiden Themen („Reformverträge“ und Bankenunion) kein
Zusammenhang. EU-Diplomaten vermuten aber einen deutsch-französischen Deal.
Bis zum nächsten Gipfel könnte es noch viel Streit geben.
25 Oct 2013
## AUTOREN
DIR Eric Bonse
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