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       # taz.de -- Freiburgs Gegner in der Europa League: Geschäft mit den Träumen
       
       > Der SC Freiburg spielt mit Estoril Praia gegen einen Klub, dessen
       > brasilianische Besitzer einzig daran interessiert sind, Talente
       > gewinnbringend zu verticken.
       
   IMG Bild: Brasilianische Nationalmannschaft? Nein, Estoril Praia
       
       FREIBURG taz | Als Ende August die Europa-League-Partien der Gruppe H
       ausgelost wurden, herrschte Stirnrunzeln beim SC Freiburg: Slovan Liberec
       kannte man, den FC Sevilla sowieso. Aber Estoril Praia? Der ein oder andere
       wusste immerhin, dass es sich dabei um einen portugiesischen Klub handelt,
       der die letzten 15 Jahre meist in der dritten oder zweiten Liga verbracht
       hat.
       
       Ende vergangener Saison war Estoril, der Klub aus dem Badeort bei Lissabon,
       dann plötzlich Fünfter der ersten Liga, hatte Größen wie Sporting Lissabon
       hinter sich gelassen und war für die Europa League qualifiziert – all das
       dank eines Investors aus Übersee.
       
       2009 drohte die Pleite. Doch Rettung nahte in Gestalt des brasilianischen
       Konsortiums „Traffic Sports Marketing“, das seither 75 Prozent der Anteil
       an Praia Estoril hält und die Geschicke des Vereins maßgeblich beeinflusst.
       Der Klub ist seither eine Art Schaufenster für den europäischen Markt.
       
       Junge, vielversprechende Talente, allesamt in der Fußballakademie von
       Traffic unweit von São Paolo ausgebildet, wechseln seither in das
       Städtchen, um sich in einer der besten Ligen Europas präsentieren zu
       können. Gelingt das, werden sie meistbietend weiterverkauft. Nicht weniger
       als sieben Brasilianer finden sich derzeit im Kader des Tabellensechsten
       der portugiesischen Liga.
       
       ## Geschäftsmodell Talentausbildung
       
       Im weltweiten Vermarktungskonzept von Traffic ist der portugiesische Verein
       dabei nur ein Mosaiksteinchen. Die Agentur leistet sich neben dem US-Klub
       Fort Lauderdale in der Heimat beispielsweise einen ganzen Fußballverein,
       Desportivo Brasil, dessen einzige Daseinsberechtigung es ist, als Dach für
       die Nachwuchsakademie zu fungieren. Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren,
       die einem der vielen Scouts aufgefallen sind, werden in Porto Feliz, 120
       Kilometer westlich von São Paulo, auf eine Karriere als Profi vorbereitet.
       
       Traffic-Sprecher Jochen Lösch kann kein Problem mit diesem Geschäftsmodell
       erkennen: Auch in England seien die Vereine in der Hand von Investoren,
       sagte er in der Tageszeitung Die Welt. Andere Befürworter des Systems wie
       der ehemalige Leverkusener Manager Reiner Calmund weisen darauf hin, dass
       „der Fußball für viele Kinder der einzige Ausweg aus dem Elend in den
       Favelas ist“.
       
       Martin Curi, Soziologe an der Universität Rio de Janeiro und Autor des
       Buches „Brasilien, Land des Fußballs“, sieht die Praktiken hingegen
       kritisch: „Es geht in diesen Spielerfabriken vor allem darum, die Jungs
       später mal gewinnbringend zu verkaufen.“ Tatsächlich träumen zigtausende
       brasilianische Kinder davon, einmal den Schritt zum Profi zu schaffen und
       womöglich eines Tages in Europa, bei einem Verein wie Estoril, zu spielen.
       Doch dieser Traum, weiß Buchautor Curi, platzt in den meisten Fällen: „Nur
       ein bis zwei Spieler in einem 60-Mann-Jahrgang schaffen in den Regel den
       Sprung zum Profi. Die anderen stehen oft vor dem Nichts, denn um so etwas
       wie eine Schulausbildung kümmern sich die wenigsten Agenturen.“
       
       Genau das bestätigt auch ein Spielerberater, der seinen Namen nicht in der
       Zeitung lesen will: „Solange man sich etwas von den Jungs verspricht, ist
       die Betreuung sicher in Ordnung. Aber wenn sie es nicht schaffen,
       interessiert sich kein Schwein mehr für ihr Schicksal.“
       
       24 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christoph Ruf
       
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