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       # taz.de -- Kolumne Später: Ächzend auf das letzte Schiff
       
       > Inzwischen werde ich öfter auf 60.Geburtstage eingeladen. Nicht nur auf
       > 50. Das hat seinen eigenen Reiz.
       
   IMG Bild: Ein Vorbild für Altern mit Stil: Elton John
       
       Schon früh war ich war auf Bines Party angekommen und hatte mein Geschenk
       abgeliefert. Nur Lieder von Künstlern über 60 – so lautete Bines Anweisung.
       Die neueste CD (ja, ich kaufe noch CDs, ihr Umsonstherunterlader und
       Spotifyer und Youtuber!), die neueste CD also von Sting heißt „The Last
       Ship“ und handelt vom Niedergang der Werftindustrie, was ein Gleichnis sein
       soll über die diversen Unter-, Nieder- und Wiedergänge des Lebens.
       
       Sting mit rasiertem Schädel und hagerem Gesicht auf meerblauem Cover. Die
       Sache ist ernst – so lautet die Botschaft. Alles original Orchestermusik,
       nicht so gesampelte Sounds. Das Authentische scheint in späteren Jahren …
       
       „Fällt dir auf, dass Leute über 55 immer Geräusche von sich geben, wenn sie
       sich hinsetzen?“, fragt Gerhard seine Frau und reißt mich aus meinen
       Gedanken. Gerhard ist mit Liese eingetroffen, die beiden haben sich ächzend
       in zwei Korbstühle gepflanzt. Gerhard ist Lieses zweiter Ehemann.
       
       Liese hat Chers neueste CD mitgebracht, auf dem Cover die erblondete Cher
       im weißen Unterkleidchen und weißer Bettwäsche, die Haut glatt,
       durchgeliftet, durchgespritzt. „Closer to the Truth“ heißt die CD der
       67-Jährigen, damit auch jeder merkt, dass das alles nur ironisch ist,
       harhar. Sozusagen das Gegenprogramm zu Sting. Gerade Frauen müssen ja im
       Alter lässig bleiben.
       
       ## „This is a woman's world“
       
       Chers Synthiestimme tönt durchs Bines Anderthalbzimmerwohnung: „This is a
       woman’s world“. Da trifft Gabriele ein. Seufzend plumpst sie in einen
       Stuhl. „Hach, ist doch eine Strecke zu laufen von der S-Bahn.“ Wir vier
       Eingeweihten grinsen. Keiner traut sich, Gabi das mit den Geräuschen beim
       Hinsetzen zu sagen. Man muss ja nicht jeden einweihen in die neueste
       Altersforschung. Bine serviert ein Blech mit Flammkuchen.
       
       Gabriele gibt die neue Elton John ab, „The Diving Board“. „I hung out with
       the old folks in the hope that I get wise“, hebt etwas später der Barde an,
       der auf dem Cover gar nicht mehr selbst zu sehen ist, sondern
       vorsichtshalber ein jüngeres Alter Ego auf ein Sprungbrett schickte. Elton
       wandert am Klavier durch die Harmonien in seiner gekonnten Mischung aus
       Erwartbarkeit und ein bisserl Überraschung. Auch schön, wenn sich das
       Liedgut nicht zu sehr verändert mit den Jahren.
       
       Eine halbe Stunde später klingelt Jürgen, seines Zeichens Autoschrauber und
       Frührentner. Er hat es gewagt, Bine die Neue von Eric Clapton mitzubringen.
       „Old Sock“ heißt die CD treffend, Clapton ist auf dem Cover ganz
       authentisch mit faltigem Hals, hügeligem Gesicht, grauen Bartstoppeln und
       Strohhut vor Palmen abgelichtet. Angeblich, so erzählt Jürgen, habe Clapton
       die Idee zum Titel der CD von Mick Jagger bekommen, der gerade 70 geworden
       ist.
       
       „Puh, und jetzt ein Bier.“ Jürgen nimmt ächzend Platz. Ich fange hysterisch
       an zu lachen. Clapton spielt und singt Blues, Reggae, alles wie früher.
       „Further Down The Road“ heißt der erste Titel. Das liebe ich immer an Bine,
       dieses Publikum auf ihren schrägen Geburtstagspartys. Uns geht’s gut.
       Schade eigentlich, dass Frank Zappa kein Alterswerk mehr vorlegen wird.
       
       22 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
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