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       # taz.de -- Streit im Beck Verlag: Vornehm arisiert
       
       > Zwei Historiker, zwei Bücher, zwei zerstrittene Brüder: 250 Jahre Beck
       > Verlag – und kein Friede im Haus. Ein Fall von Methodenstreit und
       > Altersstarrsinn.
       
   IMG Bild: Schauplatz der Zwistigkeiten: Die Frankfurter Buchmesse.
       
       Auf dem Buchmessen-Empfang des renommierten Verlags C. H. Beck [1][kam es
       am vorletzten Freitag zum Eklat]. Der Verlag feierte seinen 250.
       Geburtstag, und es ging um seine Geschichte selbst. Genauer um die Zeit
       zwischen 1933 und 1945, als Vater Heinrich Beck das Verlagshaus leitete.
       Seit 1972 steht sein Sohn Hans Dieter Beck der juristischen und Sohn
       Wolfgang der kulturwissenschaftlichen Sparte vor. Beide sind sehr
       erfolgreich. Hans Dieter ist heute 81, Wolfgang 72, zu gleichen Teilen sind
       sie Gesellschafter. Und uneins, was die historische Rolle ihres Vaters
       betrifft.
       
       Der ältere Sohn, Hans-Dieter Beck, ließ deswegen den 81-jährigen
       Rechtshistoriker Uwe Wesel zusammen mit 26 Verlagsmitarbeitern eine
       Verlagsgeschichte schreiben, der jüngere Wolfgang Beck den 1961 geborenen
       Historiker Stefan Rebenich. Zentral geht es bei dem Historikerstreit im
       Hause Beck um „die Arisierung“ (Rebenich) des Verlags von Otto Liebmann
       1933. Dessen Einverleibung in das Beck-Universum hält Wesel für einen eher
       normalen Geschäftsvorgang.
       
       Wesel watschte in Frankfurt von daher den Kollegen Rebenich ab, dieser sei
       als 1961 Geborener zu jung, um mit ihm und anderen älteren Menschen wie
       Hans Dieter Beck über die Vorgänge im Nationalsozialismus zu reden. Ein
       Fall von Demenz, Altersstarrsinn, oder verbirgt sich dahinter ein ernst zu
       nehmender Methodenstreit?
       
       Hält man sich, ohne Altersbeschränkung, an das, was Wesel und Rebenich in
       ihren Büchern geschrieben haben, sieht man, dass hier zwei Wissenschafts-
       und Geschichtsverständnisse aufeinanderprallen. Zwar brauchen beide Autoren
       für ihre Darstellung der Verlagsgeschichte zwischen 1933 und 1945 in
       juristischer bzw. kulturwissenschaftlicher Sicht fast gleich viel Platz,
       nämlich 71 bzw. 76 Seiten, doch inhaltlich sind die Unterschiede
       fundamental.
       
       ## Umstrittener Verlagsankauf
       
       Wesel schätzt das Salongespräch und vor allem Superlative. Wie in der Phase
       der Faschisierung aus völlig anormalen Umständen Normalität wurde,
       interessiert ihn nicht, so wenig wie die Zeitumstände, die Otto Liebmann
       wegen seines jüdischen Hintergrunds zum Verkauf an Beck bewegten. Der
       Historiker Rebenich hingegen stellt dar, dass sich elementare Vorgänge wie
       Kauf und Verkauf zwischen jüdischen und nichtjüdischen Unternehmern unter
       der Nazi-Herrschaft nicht in der geselligen Atmosphäre von Salongesprächen
       abspielten, nicht als „juristisch einfach“ (Wesel) zu betrachten sind, auch
       wenn damals eine gewisse Geldsumme geflossen ist.
       
       Rebenich verweist darauf, wie der Verleger Heinrich Beck Ende 1933 – unter
       fürsorglicher Beratung durch den später im Generalgouvernement mörderisch
       wütenden Hans Frank – dem Verleger Otto Liebmann seinen Verlag „abkaufte“.
       Und er kommt zu dem Schluss, dass Liebmann so wenig aus freien Stücken
       gehandelt habe wie der nationalkonservative Verleger Heinrich Beck selbst,
       als dieser nur wenige Monate später in einem anderen Fall dem Druck „von
       oben“ nachgeben musste.
       
       Er wechselte damals den Herausgeber der Deutschen Juristen Zeitung (DJZ)
       aus und ersetzte ihn durch den „fürchterlichen Juristen“ Carl Schmitt.
       Dieser verpasste der DJZ innerhalb kurzer Zeit „eine der neuen Zeit
       entsprechende Grundlage“ (Carl Schmitt). Verleger Beck quittierte es mit
       einem „Heil Hitler“. Ein halbes Jahr nachdem Schmitt den Mord an mindestens
       82 SA-Leuten um Ernst Röhm in der DJZ mit der Parole „Der Führer schützt
       das Recht“ legitimiert hatte, dankte Beck Schmitt für dessen Arbeit als
       DJZ-Herausgeber.
       
       Im Jahre 1937 trat Beck in die NSDAP ein und erwies sich als rundum
       williger Zeit- und Parteigenosse. Bei Beck waren da bereits
       Gesetzeskommentare führender Nazis erschienen, wie zum Beispiel 1936 jener
       von Hans Globke und Wilhelm Stuckart zum „Blutschutzgesetz“.
       Antisemitismus, Rassismus: Schuld daran sind nach Wesel allein „die
       Zeitumstände“. Also niemand.
       
       ## Gunst der Stunde
       
       Dabei galt Wesel einmal als (sozial)demokratischer Gelehrter, der auch in
       schwierigen 68er Zeiten als Konrektor der Freien Universität residierte.
       Der Kauf und Verkauf Liebmanns war kein „normales“ Geschäft, auch wenn
       Liebmann selber deutschnational und konservativ gesinnt war, so wie viele
       aus der deutschen Großbourgeoisie damals.
       
       Den „Tag von Potsdam“, den Schulterschluss von Hitler und Hindenburg am 21.
       3. 1933, begrüßte Liebmann als „Tag des Erwachens des deutschen Volks“. Er
       sah ihn als Chance, an der „Neu- und Umgestaltung“ mitzuwirken. Und er
       wollte „das Recht wahren“, dem das NS-Regime vom ersten Tag den Kampf
       angesagt hatte.
       
       Auch der Aufkäufer, Heinrich Beck, war nicht weniger verblendet in seinem
       Antibolschewismus. Schon Ende März 1933 hielt er die „bürgerliche Freiheit“
       für „überlebt“ und plädierte für eine „Art politischen Exerzierreglements“,
       „um der bolschewistischen Gefahr zu begegnen“. Beck war kein blutrünstiger
       Nazi, eher „nur“ der gewiefte Geschäftsmann, der im Deal mit Liebmann die
       Gunst der Stunde zu nutzen wusste und so in die Rolle eines „stillen
       Teilhabers“ (Rebenich) am verbrecherischen Regime schlüpfte.
       
       Man kann Becks Geschäft, so Rebenich, nur als gewaltlose Arisierung
       bezeichnen. Liebmann hätte unter anderen Zeitumständen nicht verkauft oder
       einen höheren Preis erzielen können. Befremdlich an Wesels Darstellung
       hingegen ist, dass er das Wort „Arisierung“ in seinem Buch prinzipiell in
       Anführungszeichen setzt, so als ob derlei historische Vorgänge immer noch
       eine umstrittene Sache wären.
       
       Rebenichs Fazit lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig: „Ohne die
       ’Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten und die antijüdische Hetze der
       deutschen Rechtsfront hätte der Münchener Verleger [Heinrich Beck; d. A.]
       nicht zu günstigen Konditionen den renommierten jüdischen Verlag von Otto
       Liebmann erwerben können.“
       
       ## Zahlung an Liebmanns Sohn
       
       Karl-Wilhelm, der 1934 entlassene Sohn Otto Liebmanns, der unter prekären
       Bedingungen in Ecuador im Exil die Nazizeit überlebte, stellte nach 1945
       Nachforderungen, da sein Vater 1933 zum Verkauf seines Verlags gezwungen
       worden sei. Heinrich Beck zahlte, aus welchen Motiven auch immer, 50.000
       Mark nach. Auch hier weiß der psychologische Ferndiagnostiker Wesel
       Bescheid: „Das ist keinesfalls das Eingeständnis, der Kaufpreis sei zu
       niedrig gewesen“, schreibt er, „sondern ein typisches Zeichen für die
       Großzügigkeit seiner [Heinrich Becks: d. A.] vornehmen Haltung.“
       
       Sein jüngerer Kollege Rebenich betont hingegen lieber die Fakten: „Zwischen
       1933 und 1943 verdoppelte sich die Bilanzsumme des Verlags C. H. Beck, und
       der Reingewinn stieg um das 35-fache.“ Nicht zu unwesentlichen Teilen durch
       die Übernahme des Marktkonkurrenten Liebmann und dank dessen Kontakten zu
       den juristischen Institutionen des Reiches. Die „Großzügigkeit“ des
       Patrons, sein Griff in die Portokasse – um einen Kritiker ruhigzustellen –,
       schrumpft auch vor dem Wissen, dass man schon 1947 an den Neubau des
       zerstörten Verlagsgebäudes gehen konnte. Kosten: 600.000 Mark.
       
       Das Alter der Teilnehmer dieser Debatte vor Augen – Wesel (Jg. 1933) und
       Hans Dieter Beck (Jg. 1932) erinnerten beide beim Empfang auf der Buchmesse
       an ihre eigene Jugend im Nationalsozialismus –, schiene vielleicht Milde
       angemessen. Auch angesichts der hervorragenden Leistungen des
       kulturwissenschaftlichen Teils des Verlags unter Wolfgang Beck. Doch
       Voraussetzung dafür wäre, dass die älteren Herren auch wüssten, wann sie
       öffentlich besser zu schweigen hätten. Der jüngere, Wolfgang Beck (Jg.
       1941), geht da mit gutem Beispiel voran, so er sich nächstes Jahr wie
       angekündigt aufs verdiente Altenteil zurückzieht.
       
       21 Oct 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Familienkrach-auf-der-Buchmesse/!125486/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Walther
       
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   DIR Sibylle Lewitscharoff
   DIR Schwerpunkt Nationalsozialismus
       
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