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       # taz.de -- Freihandelsabkommen der EU mit Kanada: Der Tausch von Steak und Käse
       
       > Was genau im neuen Abkommen zwischen der EU und Kanada steht, müssen
       > Experten erst klären. Wo es hakt, bleibt so lange ungenannt.
       
   IMG Bild: Das schmeckt den Kanadiern: französischer Käse
       
       BRÜSSEL taz | Das milliardenschwere Freihandelsabkommen, auf das sich die
       EU und Kanada am Freitag einigten, hat neue Proteste gegen die Politik der
       Liberalisierung ausgelöst. Frankreich fürchtet um seinen Agrarsektor, das
       Europaparlament vermisst Schutzrechte für Verbraucher. Auf Kritik stößt
       zudem die mangelnde Transparenz des Abkommens. Im EU-Ministerrat kam es
       deswegen zu einem handfesten Streit.
       
       Die EU und Kanada vereinbarten, ihre Märkte fast vollständig zu öffnen. 99
       Prozent aller Zölle sollen wegfallen, Standards, Normen sowie Urheber- und
       Markenrechte gegenseitig anerkannt werden. Zudem wird das öffentliche
       Beschaffungswesen geöffnet. Alles zusammen soll den bilateralen Handel nach
       Schätzungen der EU-Kommission um 23 Prozent oder 26 Milliarden Euro
       jährlich wachsen lassen.
       
       „Wir gehen davon aus, dass dieses Abkommen auch Standards für andere
       Abkommen setzt“, sagte Kommissionschef José Manuel Barroso in Anspielung
       auf die laufenden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA.
       Genau das ist jedoch die größte Sorge der Kritiker. Denn der Deal mit
       Kanada enthält viele Punkte, die – auf die USA angewandt – zu einer
       Aushöhlung von Umwelt-und Sozialstandards in Europa führen könnten.
       
       Der erste Streitpunkt ist die mangelnde Transparenz. Obwohl von einer
       „politischen Einigung“ die Rede ist, sind tatsächlich viele Details des
       Abkommens mit Kanada noch unklar. Sie sollen von Experten geklärt werden,
       was rund ein Jahr dauern dürfte. Allerdings bleibt Öffentlichkeit und
       Experten verborgen, wo es hakt, da weder das ursprüngliche
       Verhandlungsmandat noch die derzeit strittigen Fragen offengelegt wurden.
       
       ## Streit um Seriösität der Verhandlungen
       
       Damit sich dies nicht wiederholt, hat Frankreich gefordert, wenigstens den
       Auftrag für die Verhandlungen mit den USA öffentlich zu machen. Man müsse
       endlich die Lehren aus der Geschichte des Handelsabkommens Acta ziehen, das
       2012 an massiven Protesten der Bevölkerung gescheitert war, argumentieren
       die Franzosen. Doch sie konnten sich bei einer Sitzung der Handelsminister
       am Freitag in Luxemburg nicht durchsetzen. Die meisten EU-Staaten, darunter
       auch Deutschland, blockierten: So etwas könne seriöse Verhandlungen stören.
       
       Streit zeichnet sich auch über die Agrar-, Umwelt- und Sozialpolitik ab.
       Frankreich hat Vorbehalte gegen die mit Kanada vereinbarte Öffnung des
       Agrarmarkts. Paris fürchtet vor allem Probleme für seine Viehzüchter, da
       die Kanadier künftig mehr Steaks nach Europa exportieren dürfen – als
       Gegenleistung für mehr Käse aus Frankreich. „Wir werden diese Einigung erst
       nach eingehender Prüfung bewerten“, warnte Handelsministerin Nicole Bricq.
       
       Auch im Europaparlament gibt es Vorbehalte. Das Abkommen könne den Umwelt-
       und Verbraucherschutz beeinträchtigen, kritisierte der
       SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange. Er spielte dabei auf eine Klausel zur
       Schlichtung von Streit zwischen privaten Investoren und beteiligten Staaten
       an, den sogenannten Investitionsschutz. Konzerne könnten die Möglichkeit
       erhalten, die EU-Staaten wegen vermeintlicher Verletzung ihrer Rechte zu
       verklagen – und sogar Schadenersatz fordern.
       
       Ähnliche Klauseln sollen auch im geplanten Abkommen mit den USA verankert
       werden. Die Grünen drohen deshalb bereits mit Ablehnung. „Weil die
       Investitionsabkommen oft vage gehalten sind, können Klagen gegen fast alle
       Entscheidungen gerichtet werden. Oft sind dabei Umwelt- oder
       Sozialgesetzgebungen betroffen“, warnt die grüne Europaabgeordnete Ska
       Keller.
       
       20 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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