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       # taz.de -- Psyche des Limburger Bischofs: Der Bauherr Christi
       
       > Das Problem des Tebatz-van Elst ist sein Selbstverständnis. Nach
       > weltlichen Maßstäben mag er „psychisch krank“ sein – nach seinen eigenen
       > eher „besessen“.
       
   IMG Bild: Der Limburger Bischof ist zur Zeit in Rom und muss sich erklären
       
       Bambi ist angeschossen und hat sich vorerst verkrochen, seine Blutspur
       führt in die ewige Stadt. Getrieben wird es von einer seltsam bunten
       Jagdgesellschaft aus konservativen Journalisten und progressiven
       Katholiken. Einer, der ohne Sünde war, muss den ersten Stein geworfen
       haben. Seitdem hagelt’s.
       
       Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, 53, den sie im hessischen Limburg
       wegen seiner immer ein wenig schreckhaft geweiteten Augen tatsächlich
       einmal „Bambi“ nannten, ist zum Abschuss freigegeben. In Talkshows rücken
       sogar schon seine bischöflichen Mitbrüder mit sorgenvoll wackelnden Köpfen
       von ihm ab.
       
       Ernsthafter protestierten am Sonntag die wirklich Betroffenen in der Stadt
       an der Lahn, zwischen dem historischen Dom und den schwarzen Rolltoren des
       neuen „Diözesanen Zentrums St. Nikolaus“ – so der offizielle Name des
       Gebäudekomplexes, von dem Tebartz-van Elst nur einen kleinen Teil bewohnt.
       
       Die Messe am Vormittag war mit 200 Menschen gut besucht. Gehalten hatte sie
       der Dompfarrer, denn der Bischof weilte bereits in Rom. Nach dem
       Gottesdienst versammelten sich wieder rund 200 Demonstranten auf dem
       Domplatz; eine Abordnung jener „Gläubigen“, für die der Skandal um ihren
       Bischof „eine schwere Belastung“ darstellt, wie Angela Merkel das
       ausdrückte. Es wirkte, als spielte eine katholische Laienspielgruppe für
       die Kameras von ZDF, Sat.1 und RTL.
       
       ## Sauere Luft an der Lahn
       
       Um 12 Uhr läuten im Dom, einer gewiss auch nicht kostengünstigen Schönheit
       von 1235, die Glocken. Jubel brandet auf, als nach dem zwölften Mal
       tatsächlich noch ein weiterer Glockenschlag ertönt. Es schlägt also 13, und
       ähnlich symbolisch wird anschließend auf der Klampfe gezupft, als wär’s
       eine Probe für den nächsten Kirchentag: „Andere Lieder wollen wir singen.“
       
       Menschen sprechen in ein Mikro zur Gemeinde, dass sie sich „den Glauben
       nicht wegnehmen lassen wollen“ oder dafür beten, ihr Bischof möge „von
       seiner Großmannssucht geheilt“. Purpurfarbene Karten werden verteilt, auf
       denen steht: „Herr Bischof, wir haben es satt! Treten Sie zurück!“
       
       Der Wind treibt die Herbstblätter in Wirbeln über das Kopfsteinpflaster und
       fährt knatternd in die gelben Fahnen mit dem Wappen des Bistums. Auch hier
       hat Tebartz-van Elst eingegriffen und das Motiv verändert. Neben der
       üblichen Heraldik finden sich im Wappen auch drei Ähren über drei
       stilisierten Flüssen.
       
       Die Flüsse verweisen auf des Bischofs Wurzeln am Niederrhein, die Ähren auf
       seine Herkunft von einem Großbauernhof. Darunter steht sein Wahlspruch,
       entnommen dem biblischen Galaterbrief: „Ihr alle, die ihr auf Christus
       getauft seid, habt Christus als Gewand angenommen.“ Das wird noch wichtig.
       
       ## Sparkurs im Bistum
       
       Am stählernen Rolltor zur Residenz hat jemand ein Plakat mit den Thesen des
       Martin Luther angebracht. Hier wurmt die Leute vor allem der rigide
       Sparkurs, den Tebartz-van Elst seinem Bistum verordnet hat. Vordergründig
       geht es natürlich um diesen „Protzbau“, der kein Protzbau ist. Was von
       außen wie eine gut gesicherte Botschaft wirkt, ist im Inneren von
       schlichter, edler Eleganz und nicht ohne Geschmack.
       
       Michael Frielinghaus ist ein namhafter Architekt, der weiß, was er baut und
       was das kostet. 40 Millionen, dafür gibt es anderswo ein paar Kilometer
       Autobahn. Gar nicht zu reden vom Flughafen Berlin-Brandenburg, der diese
       Summe als Baustelle in zwei Monaten verschlingt.
       
       ## Transparenz? Firlefanz!
       
       Für den Neubau des Ordinariats im Bistum Rottenburg-Stuttgart wurden
       zeitgleich ebenfalls 39 Millionen Euro ausgegeben – wobei die dortige
       Diözese von Anfang an keinen Hehl aus den Kosten machte. In Limburg stieg
       der Preis von 5 Millionen ins Astronomische – unter Ausschluss der
       Öffentlichkeit.
       
       Aufreizend für Außenstehende ist weniger die unvorstellbare Summe als
       vielmehr der bischöfliche Hang zu verspäteten Sonderwünschen: Panzerglas
       für seine Bürofenster, importiert aus Washington. Das Planieren eines
       eleganten neuen Gartens zugunsten eines noch neueren, noch eleganteren
       Gartens für 783.000 Euro. Abriss und Neubau des Kapellengewölbes, damit der
       Adventskranz nicht abgestellt, sondern an einer Hängevorrichtung für
       100.000 Euro frei schweben kann.
       
       Einbauschränke für 477.000, ein Konferenztisch für 25.000, Kunstgegenstände
       für 450.000 und verdeckte Beschallung für 203.000 Euro. Das bischöfliche
       Badezimmer hat insgesamt 15.000 Euro gekostet, nicht, wie berichtet, nur
       die Badewanne – die immerhin steht frei und wurde von Designer Philippe
       Starck entworfen. Mit zwei Nackenstützen, warum auch immer.
       
       Leider hat sich, etwa in einem geheimen dritten Untergeschoss, bis heute
       noch kein Folterkeller entdecken lassen. Womit wir endlich zum eigentlichen
       Problem des Franz-Peter Tebartz-van Elst vorgedrungen wären, seinem
       Selbstverständnis als katholischer Christ und Bischof. Transparenz ist für
       den konservativen Kleriker neumodischer Firlefanz.
       
       Kaum im Amt, hebelte er das zuständige Domkapitel aus und setzte einen
       dreiköpfigen Vermögensverwaltungsrat ein, bestehend aus honorigen
       Pensionären, allesamt Katholiken, die sich für ihre Arbeit mit päpstlichen
       Orden behängen ließen und ansonsten den lieben Gott – und den lieben
       Bischof – so lange einen guten Mann sein ließen, bis der Skandal nicht mehr
       zu leugnen war.
       
       ## Geständnis unter Tränen
       
       Über die wahren Kosten informiert waren nur der Bischof, Architekt
       Freilinghaus, Dombaumeister Tilmann Staudt – und die externe
       Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Im Ordinariat bekam niemand die
       Zahlen zu sehen. Sie waren quasi entrückt. Hinters Licht geführt wurden
       auch die Aufsichtsinstanzen des Vatikans, Summen wurden nur gestückelt
       vorgelegt. Staudt gestand laut FAS dem Vermögensverwaltungsrat „unter
       Tränen“, er habe in den Akten aus „Umplanungen auf Wunsch des Bauherrn“ auf
       Anweisung des Bischofs „notwendige Umplanungen“ machen müssen.
       
       Dieser Umgang mit der Wahrheit hat nicht nur längst die Staatsanwaltschaft
       auf den Plan gerufen, sondern auch eine ganze Reihe von Psychologen, die
       dem Mann nun Ferndiagnosen stellen – etwa, er leide an „pseudologica
       phantastica“, einem krankhaften Verlangen, zu lügen. Der Bischof hat es
       aber nicht verdient, psychologisiert zu werden. Er hat es verdient,
       theologisiert zu werden. Offensichtlich ist etwas in ihn gefahren.
       
       ## Keine Strafe, sondern Therapie
       
       Auf die Frage: „Wer sind Sie?“, antwortete Tebartz-van Elst in einem
       Interview: „Ich bin einer, der Jesus Christus als Herrn und Freund und
       Bruder für sein eigenes Leben entdeckt hat. Und davon möchte ich anderen
       künden.“ Wer auf Christus getauft sei, habe „Christus als Gewand angelegt.
       Das ist unser Schutz, das ist unser Schmuck.“ Dabei gehe es nicht um Mode,
       sondern darum, „dass Christus anschaulich wird, dass wir ihm unser Gesicht
       geben, aber zugleich sein Gewand tragen dürfen“.
       
       Wenn der Bauherr Christus ein Gesicht gibt, sind dann nicht alle
       Umplanungen „notwendige Umplanungen“? Und was sind schon 40 Millionen Euro,
       wenn man dafür „Christus anschaulich“ machen kann? Und was geht das eine
       Öffentlichkeit an, die sich Ritus und Religion ohnehin entfremdet hat? Wo
       narzisstische Persönlichkeitsstörung und frömmelnde Inbrunst einander ins
       Gehege kommen, kreuzen sich katastrophisch mindestens zwei Wahnsysteme.
       
       Nach weltlichen Maßstäben mag der Bischof „psychisch krank“ sein – nach
       seinen eigenen müsste er eher als „besessen“ bezeichnet werden. Dafür kennt
       die Kirche Lösungen, sehr alte Lösungen. Der Mann braucht eher eine
       Therapie als eine Strafe. Und vielleicht eher einen Exorzismus als eine
       Therapie.
       
       16 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Arno Frank
       
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