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       # taz.de -- Hilfe für überschuldete Spanier: Zwangsräumung gestoppt
       
       > In Andalusien kommt es erstmals zur Enteignung einer Wohnung auf Zeit.
       > Das soll überschuldete Familien vor der Zwangsräumung schützen.
       
   IMG Bild: Kerzen vor dem Geschäft eines 53-Jährigen aus Granada: Kurz bevor sein Laden zwangsgeräumt werden sollte, nahm er sich das Leben.
       
       MADRID taz | Überglücklich schwenkt María del Carmen Andújar das Symbol
       gegen Zwangsräumungen von Wohnungen. „Ja wir können!“ steht auf der grünen
       Pappe. Die Mutter zweier Jugendlicher und ihr Ehemann hatten soeben
       erfahren, dass die Regionalregierung im südspanischen Andalusien die
       Zwangsräumung der Familie gestoppt hatte. Es ist das erste Mal, dass die
       Koalition der sozialistischen PSOE und der postkommunistischen Vereinigten
       Linken (IU) ein im September verabschiedetes Gesetz über die „soziale
       Nutzung von Wohnraum“ angewendet hat.
       
       Statt die Familie, die mit ihren Ratenzahlungen in Rückstand geriet, auf
       die Straße zu setzen, wurde der Besitzer der Wohnung in der Stadt Huelva
       enteignet. Der Besitzer ist ein Spekulationsfonds, der unsichere
       Kreditverträge von Spaniens größter Sparkasse, der katalanischen Caixa,
       aufgekauft hatte.
       
       „Das gibt uns Luft“, jubelt Andújar. Sie verdient im Monat 420 Euro, ihre
       Kinder und ihr Mann sind arbeitslos. Die Stütze für ihren Gatten – 400 Euro
       pro Monat – läuft im Januar aus. Jetzt hofft Andújar, die fortan 25 Prozent
       ihres Einkommens als Sozialmiete abführen muss, dass sich in den nächsten
       drei Jahren die Situation der Familie verbessert und sie wieder Raten
       zahlen kann.
       
       „Es wäre eigentlich die Aufgabe der Zentralregierung gewesen, für
       Gerechtigkeit zu sorgen und ein Gesetz zu erlassen, das Schuldenfreiheit
       bei Rückgabe der Wohnung ermöglicht“, verteidigt die Präsidentin der
       andalusischen Autonomieregierung, Susana Díaz Pacheco, die Enteignung. Wer
       die Wohnung verliert, dem wird von seinen Schulden nur ein Schätzwert
       abgezogen. Bleibt ein Rest, was dank der geplatzten Spekulationsblase meist
       zutrifft, muss dieser weiter abbezahlt werden.
       
       ## 400.00 Zwangsräumungen seit 2007
       
       Landesweit 400.000 Zwangsräumungen zählen die Betroffenenorganisationen
       seit Beginn der Krise 2007. Die Opfer sitzen auf der Straße und sind
       trotzdem hoch verschuldet. Die Konservativen unter Mariano Rajoy, die in
       Madrid regieren, haben daran bisher nichts Wesentliches geändert.
       
       Es ist bereits das zweite andalusische Gesetz, das Familien vor der
       Ausgrenzung durch Wohnungsverlust schützen soll. Das erste vom letzten
       April wird derzeit auf Antrag der konservativen Zentralregierung vor dem
       Verfassungsgericht verhandelt. Gestern, am Tag nach der Enteignung von
       Huelva, wurden Stimmen laut, die auch das neue Regionalgesetz stoppen
       wollen.
       
       Auch aus Brüssel kommen immer wieder Stimmen zum andalusischen Gesetz. Es
       könnte dem Wohnungsmarkt und den Banken schaden, fürchtet die EU. Zuletzt
       erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher der EU-Kommission, die Troika
       aus Kommission, Zentralbank und Internationalem Währungsfonds werde prüfen,
       wieweit das Gesetz mit der Bankenrettung vereinbar sei. Dafür habe Spanien
       100 Milliarden Euro bereitgestellt bekommen.
       
       16 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
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