# taz.de -- Neue Enthüllungen im NSU-Prozess: Zu alt, um umgebracht zu werden
> Das NSU-Trio plante offenbar weitere Anschläge. Handschriftliche Notizen
> zeigen, dass sie ältere Menschen von der Todesliste strichen.
IMG Bild: Anschlagsziel des NSU: Der Elektroladen in Kassel war 2006 ein Internetcafé. Damals wurde dort Halit Yozgat als neuntes Opfer des NSU erschossen.
MÜNCHEN taz | 267 Adressen und 14 Städtekarten. Das NSU-Trio Uwe Mundlos,
Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe führte nicht nur die in der Anklage
benannten Morde, Bombenanschläge und Banküberfälle durch. Die Funde der
Polizei in der Wohnung der drei in der Frühlingsstraße in Zwickau legen
nahe: Das Trio plante weitere Anschläge und bereitete diese genau vor.
Am 46. Verhandlungstag im NSU-Verfahren stellte der BKA-Beamte Roman G. vor
dem Oberlandesgericht München die Auswertung verschiedener im Brandschutt
der Wohnung gefundener Computerdateien und Kartenmaterials vor. Adressen
von allen Parteien, Asylbewerberheimen und Beratungsstellen für Flüchtlinge
fanden die Ermittler. Das Gros der Adressen, so G., waren islamische
Einrichtungen und Büros der Partei Die Linke, ehemals PDS.
Schon vor dem Verfahren war bekannt, dass die Ermittler im Brandschutt der
Zwickauer Wohnung Karten aus dem Bundesgebiet gefunden hatten.
Unbeschädigte Karten entdeckten sie jedoch nicht.
„Eine Überprüfung der Adressen mit den Kartenresten ergab eine hohe
Übereinstimmung mit Markierungen und Eintragungen zu den Morden“, sagte der
BKA-Beamte G. im Gerichtssaal. Vor allem für Nürnberg, München, Dortmund
und Kassel fand die Polizei umfangreiches Kartematerial, Routenplaner und
handschriftlichen Ergänzungen. Ein Stern markiert in München eine Adresse
nahe dem Ort an dem der NSU 2005 Theodoros Boulgarides getötet haben soll.
„In Dortmund, Nürnberg und München müssen die Täter vor Ort gewesen sein“,
sagte der BKA-Beamte. Das belegen handschriftliche Anmerkungen: „In
Dortmund wie Mülheim Köln“ und „in Nürnberg Café wie in Köln“. In Dortmund
soll der NSU 2006 Mehmet Kubasik und in Nürnberg 2000 Enver Simsek, 2001
Abdurrahim Özüdogro und 2005 Ismail Yasar erschossen. In Köln zündeten sie
2001 und 2004 vermutlich zwei Bomben.
Das Vermerke und das Kartenmaterial lassen auf eine präzise und kaltblütige
Vorbereitung schließen. Zu Dortmund notierten die Nazis: „Bürgerbüro SPD,
keine gute Lage, nur bei schlechtem Wetter einen Gedanken wert“. Ein
anderer Vermerk lautet: „Türkischer Laden, Kiosk auf der anderen
Straßenseite, gutes Objekt, geeigneter Inhaber.“ In Nürnberg merkten sie zu
einer Flüchtlingsunterkunft an: „Asylbewerberheim in der Industriestraße,
Asylheim, Tür offen ohne Schloss, Keller zugänglich“.
Ein Handschriftenvergleich hat ergeben, dass Uwe Mundlos die meisten der
Notizen auf den Papierausdrucken vorgenommen hatte. Ein Kriterium für die
Auswahl der Opfer scheint auch das Alter gewesen zu sein. So hatte Mundlos
notiert: „Türkischer Imbiss sehr gutes Objekt, Personal gut, aber alt –
über 60 Jahre."
16 Oct 2013
## AUTOREN
DIR Andreas Speit
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