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       # taz.de -- Kolumne Ich meld' mich: Die Wüste lesen
       
       > Er konnte die Wüste entziffern, ihn haute nichts um. Er war Pfadfinder,
       > Botschafter Namibias und Guide aus Berufung. Ein Nachruf auf Marc Dürr.
       
   IMG Bild: Einsam in der namibischen Wüste.
       
       Marc Dürr war einer der Besten. Er war ein Pfadfinder, ein Botschafter
       seines Landes Namibia, einer jener Enthusiasten, die für Reisende so
       ungeheuer wichtig sind, weil sie es schaffen, ihnen ihre Heimat auf
       unvergleichliche Weise nahezubringen.
       
       Wenn Marc beim Morgenausflug auf einer Düne in die Knie ging und die Spuren
       der Nacht erkundete, eröffnete sich ein ganzes Universum: Die Wege von
       Schakal, Löffelhund und Skorpion hatten sich gekreuzt. Eine Schlange war
       durchgezogen. Und eben huschte ein Tok Tokkie davon, einer jener bläulich
       blitzenden Schwarzkäfer im Wachsmantel.
       
       Die Wüste erzählt, sie offenbart sich in Zeichen und Wundern. Aber es
       braucht einen, der diese zu entziffern vermag. Marc verstand die Namib, den
       mehr als 2.000 Kilometer langen Wüstenstreifen an der Küste Namibias, wie
       nur wenige. Fünf Jahre lang hatte der kleine, sonnenverbrannte Mann beim
       Militär Spurenlesen und Überlebenstechniken von den Buschmännern gelernt.
       Dann wurde er Guide – Guide aus Berufung.
       
       Warum Dünnlerchen über den Sand trippeln, statt zu fliegen, wie
       Wollsackverwitterung an den Felsen funktioniert und weshalb die
       Einheimischen den Balsambusch „Kanniedood“ nennen – nie konnte er aufhören
       zu erklären. „Ein Guide, der nicht müde ist, wenn er aus der Wüste kommt,
       hat seinen Job nicht gemacht.“ Und natürlich bestand er streng darauf, dass
       Gäste wie Mannschaft bei den Touren ins Land nichts zurückließen als ihre
       Fußspuren.
       
       Ob Felsmalerei oder wilde Tsamma-Melonen, Ohrengeier oder Stammesdialekte,
       die Wirtschaftspolitik Namibias oder vulkanologische Theorien zur
       Entstehung des Brandbergmassivs – Marcs Interessenspektrum schien so weit
       wie der Horizont der Namib.
       
       „Den Jungen haut einfach nichts um“, meinte einer der Gäste nach einer
       harten Tour bewundernd. Leider ein Irrtum. Vor drei Jahren, am 27. Oktober,
       starb Marc mit 43 an Krebs.
       
       12 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Franz Lerchenmüller
       
       ## TAGS
       
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