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       # taz.de -- Ironman auf Hawaii: Den Code auf Kona knacken
       
       > Schwimmen, fahren, laufen. Am Samstag haben mit Andreas Raelert und
       > Sebastian Kienle zwei deutsche Triathleten Chancen auf einen
       > Podiumsplatz.
       
   IMG Bild: Geschafft! Andreas Raelert bei seinem zweiten Platz im vergangenen Jahr.
       
       Der Tipp ist ernst gemeint. „Es ist keine Schande, mit Leuchtstäbchen zu
       laufen“, sagt Andreas Raelert, „die Sonne in Kona geht früh unter.“ Wenn
       der Vizeweltmeister den „Rookies“ für den längsten Tag des Jahres
       empfiehlt, Vorsorge zu betreiben, zeugt das von Anteilnahme. Fast nirgendwo
       sonst pflegen Profis und Amateure so eine spezielle Symbiose wie beim
       Triathlon.
       
       Zum Ironman Hawaii stehen beim Startschuss am Samstag um 6.30 Uhr Ortszeit
       (18.30 Uhr MESZ/ab 0 Uhr live hr-Fernsehen) ja nicht nur die 50
       bestplatzierten Athleten des Kona-Pro-Rankings, der Ironman-Punktewertung,
       am Pier von Kailua-Kona, sondern auch 1.800 Altersklassenathleten, die
       ebenfalls keine Kosten und Mühen gescheut haben, um sich an eine mystische
       Herausforderung zu machen.
       
       Einem wie Raelert, zweimal Zweiter und zweimal Dritter, ist es mit Ankommen
       nach den 3,8 Kilometer Schwimmen im welligen Pazifik, 180 Kilometer
       Radfahren durch die windanfälligen Lavafelder und 42 Kilometer Laufen auf
       flimmernden Asphalt nicht mehr getan. „Der Hawaii-Sieg ist mein Traum“,
       sagt der 37-Jährige, „dieser Ironman ist der Grund, wofür es sich lohnt,
       über Monate auf vieles zu verzichten.“
       
       Weltoffene Typen, idealistische Extremsportler und verschrobene Charaktere
       geben sich auf Hawaii die Hand, weil die monatelangen Entbehrungen und
       wochenlangen Trainingslager auch zusammenschweißen.
       
       Neben Raelert sind von den 14 deutschen Profis Timo Bracht und Faris
       Al-Sultan mit den Tücken auf Big Island am besten vertraut. Der Eberbacher
       Bracht ist der vielleicht intelligenteste Tüftler. „Ich weiß, wie es auf
       Hawaii funktioniert“, sagt der 38-Jährige, der alles auf diesen Showdown
       ausgerichtet hat. Was auch der 35-jährige Al-Sultan behauptet, der sich
       hier 2005 die stachelige Krone aufsetzte – als dritter Deutscher nach
       Thomas Hellriegel (1997) und Normann Stadler (2004 und 2006). Druck macht
       sich der Münchner indes nimmermehr. „Wenn es etwas wird: toll.“ Wenn nicht,
       geht das selbstbestimmte Leben weiter.
       
       ## Die mentale fitness entscheidet
       
       Einig sind die Altmeister: Kein Rennen braucht so viel (mentale) Fitness.
       Raelerts These: „Das körperliche Level ist bei den meisten nach der
       wochenlangen Vorbereitung ähnlich. Wenn wir die 50 Profis alle auf einen
       Radergometer setzten, dann kommen bei 30, vielleicht 40 fast identische
       Werte raus. Alles wird in den schwierigen Momenten im Kopf entschieden.“
       Die Härte gegen sich selbst sei auf den finalen Laufkilometern vom Energy
       Lab nach Kona wichtiger als der gestählte Körper. Raelert: „Beim Schwimmen
       und Radfahren kann man das Rennen verlieren – gewonnen wird es beim
       Laufen.“ Zuletzt übrigens sechsmal in Folge von australischen Grenzgängern.
       
       „Wer die Mutter aller Rennen bezwingen will, braucht Geduld“, weiß Pete
       Jacobs. Der 31-jährige Australier hat im Vorjahr den Kona-Code geknackt.
       „Bleibe so cool wie möglich“, lautet die Devise des Titelverteidigers, der
       es sich leistete, seinen bestens bezahlten Start beim Frankfurt Ironman im
       Sommer zum Vorbereitungsrennen entarten zu lassen. Um im Gegensatz zum
       ebenfalls hoch gehandelten spanischen Europameister Eneko Llanos Kräfte zu
       sparen für die offizielle Weltmeisterschaft.
       
       Unter diesem Aspekt könnte sich auszahlen, dass Sebastian Kienle beim
       Waldlauf im Frühjahr umknickte und ein Außenband abriss. Die Zwangspause
       sorgte dafür, dass sich der Formaufbau nach hinten verzögerte. Deutschlands
       „Triathlet des Jahres“ gilt mindestens als Podiumskandidat, hat gerade erst
       den WM-Titel auf der Ironman-Halbdistanz 70.3 eingeheimst. „Ich würde
       sagen, ich bin schon bei 90 Prozent“, sagt Kienle. „Wenn ich mich beim
       Schwimmen verbessere, auf dem Rad keinen Platten habe und die gleiche
       Leistung vom letzten Jahr bringe, sollte etwas möglich sein“, erklärt der
       charismatische Vorjahresvierte.
       
       Der 29-jährige Physikstudent hat sich im Ironman-Segment einen Namen
       gemacht, weil er sich gegen das Triathlon-Comeback von Lance Armstrong
       stellte. Seine Statements in Sachen Antidopingkampf klingen überzeugend,
       seine Leistungsentwicklung („Meine Karriere verlief in den letzten zehn
       Jahren wie eine Ursprungsgerade – stetig nach oben“) wirkt nachvollziehbar.
       Insofern wäre sein Sieg ein Zeichen. Nur damit soll Kienle in Kailua-Kona
       noch niemand kommen. „Von Vorschusslorbeeren hat man sich noch nie die
       richtigen Lorbeeren kaufen können.“ Höchstens Leuchtstäbchen.
       
       12 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Hellmann
       
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