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       # taz.de -- Kommentar Nobelpreis Literatur: Königin der Kurzgeschichte
       
       > Den Nobelpreis für Literatur wurde für die beste Wortkunst verliehen. Es
       > ist keine politisch motivierte Wahl und sie hat auch keinen
       > Mitleids-Beigeschmack. Gut so.
       
   IMG Bild: Ihre Geschichten sind unübertroffen unangestrengt: Alice Munro
       
       Halleluja, was für eine schöne Überraschung. Der Literaturnobelpreis für
       die kanadische Schriftstellerin Alice Munro ist unmissverständlich eine
       Entscheidung für die Literatur – und für sonst gar nichts.
       
       Es ist keine politische Vergabe wie etwa im vergangenen Jahr beim
       chinesischen Autor Mo Yan und wird daher auch keine Moraldebatte nach sich
       ziehen, ob der Preis nun verdient ist oder nicht. Es ist auch keine, die
       einen Mitleids-Beigeschmack hinterlässt wie bei dem schwedischen Lyriker
       Tomas Tranströmer 2011, bei dem es wirkte, als müsse man sich beeilen.
       
       Vielleicht das Verrückteste ist, dass dieser Preis endlich eine
       literarische Gattung würdigt, die so gerne belächelt wird: Jetzt ist Munro
       für immer die Königin der Kurzgeschichte.
       
       Denn das ist ihr Metier, ausschließlich. Ihre Geschichten sind
       unübertroffen unangestrengt und von umwerfender Lebensechtheit: Texte über
       Frauen, Mütter, Töchter, die den Blick auf weibliches Leben nachhaltig
       verändern. Die Storys funktionieren zwar solitär, spiegeln sich aber
       ineinander, je weiter man liest, befeuern sich gegenseitig.
       
       Es gibt wohl keine andere Schriftstellerin in unserer Zeit, die Virginia
       Woolfs zum Schlachtruf gewordenes Credo vom „Zimmer für sich allein“ so
       verkörpert wie sie. Denn dass Munro nur Kurzgeschichten schreibt, hat einen
       sehr frauenpolitischen Hintergrund: Sie fing an zu schreiben, um etwas
       Eigenes zu haben – und das ging nur in kurzen Etappen: während die Kinder
       schliefen.
       
       ## Der ewige Underdog
       
       Vor allem: Es wurde allerhöchste Zeit, dass kanadische Literatur die
       internationale Aufmerksamkeit bekommt, die sie schon so lange verdient.
       Denn auf dem Weltmarkt ist – wie in allen Bereichen – auch die
       Literaturszene Kanadas der ewige Underdog gegenüber den
       Paul-Auster-Philip-Roth-Thomas-Pynchon-USA. Wenn nun auch der Rest des
       großen kanadischen Autorenschatzes gehoben wird, hätte der Preis am Ende
       also doch noch eine politische Komponente.
       
       Nur für eine dürfte es zunächst ein Schock gewesen sein: Denn die
       Entscheidung für Alice Munro ist auch eine Ohrfeige für ihre weitaus
       berühmtere Kollegin Margaret Atwood, die gefühlt seit Jahrzehnten als
       Nobelpreiskandidatin gehandelt wird. Es wird dauern, bis die Auszeichnung
       wieder nach Kanada geht: Munro war die Allererste. Was für ein Glück.
       
       11 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Haeming
       
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