URI: 
       # taz.de -- ZDF-Fernsehmacher über Aspekte-Preis: „Es geht um einen neuen Blick“
       
       > Daniel Fiedler, Chef der ZDF-Redaktion Berlin Kultur über den
       > aspekte-Literaturpreis, kulturelle Debatten im Fernsehen und
       > überraschende Jurysitzungen.
       
   IMG Bild: Bekommt am Samstag für seinen Roman „Kein Paar wie wir“ auf der Frankfurter Buchmesse den aspekte-Literaturpreis 2013: Eberhard Rathgeb.
       
       taz.de: Was muss ein Debütroman beinhalten um den Aspekte-Literaturpreis zu
       gewinnen? 
       
       Daniel Fiedler: Pauschal kann man das nicht sagen, aber das Debüt muss,
       berücksichtigt man auch die Erfahrungen aus der diesjährigen Entscheidung
       für Eberhard Rathgeb, in erster Linie überraschend und überzeugend sein. Es
       geht auch um einen dezidiert neuen eigenen Blick. Davon unabhängig war
       inhaltlich bei den Debüts in diesem Jahr auffällig, dass oft
       Dreiecksbeziehungen thematisiert wurden. Vieles war auch auf Berlin
       zentriert.
       
       Ist die Entscheidung für [1][Rathgebs Erzählung „Kein Paar wie wir“]
       schnell gefallen? 
       
       Wir hatten [2][sechs Kandidaten auf der Shortlist] und zum Schluss drehte
       es sich um drei Titel. Es gab keinen Favoriten, sondern sehr
       unterschiedliche Bewertungen und Herangehensweisen. Wir haben die
       Entscheidung für Rathgebs Roman aber argumentativ gelöst. Es hat keine
       Abstimmung gegeben. Dies wollten wir ohnehin, ebenso wie einen damit
       verbundenen Kompromiss, vermeiden.
       
       Den aspekte-Literaturpreis für das beste Debüt gibt es seit 35 Jahren. Er
       ist eine mediale Konstante. Trotzdem scheint es Literatur im Fernsehen
       immer schwerer zu haben, denkt man an die ORF-[3][Debatte über die
       Abschaffung des Ingeborg-Bachmann-Preises] im Sommer diesen Jahres. Sie
       haben lange als Koordinator des in Deutschland übertragenden Senders 3sat
       gearbeitet. Welche Rolle spielt der seit 1977 in Klagenfurt vergebene
       Ingeborg-Bachmann-Preis für 3sat? 
       
       Daniel Fiedler: Für einen Kanal, der die deutsche Sprache
       länderübergreifend zum Kern hat, gehört der Preis zu den Grundfesten des
       Programms. Zugleich hat er etwas Anachronistisches. Die Vermittlung von
       Literatur im Fernsehen funktioniert mittlerweile anders. Auch hat die
       Auszeichnung sicherlich, im Vergleich zu jüngeren Veranstaltungen, etwa der
       [4][Lit.COLOGNE], an Bedeutung verloren. Dennoch ist gerade der
       anachronistische Aspekt, unabhängig von Quotenbetrachtungen live im
       Fernsehen Prosa vorzulesen, etwas, das den Ingeborg-Bachmann-Preis
       liebenswert macht. Und aus der Sicht eines Programmplaners kann man sagen,
       hey, es geht um drei Tage im Jahr. Das ist hinnehmbar, gerade weil es
       explizit um den literarischen Nachwuchs geht. Zudem sind die Live-Lesungen
       ein Alleinstellungsmerkmal.
       
       Was für einen Platz hat Literatur heute generell im Fernsehen? 
       
       Aus öffentlich-rechtlicher Sicht einen ganz wichtigen Platz. Die
       Vermittlung ist allerdings schwerer geworden. Wichtig sind die Figuren, die
       über Literatur im Fernsehen reden. Dafür braucht es starke und streitbare
       Köpfe mit Leidenschaft. Der [5][kürzlich verstorbene Marcel Reich-Ranicki]
       hat da sicherlich Maßstäbe gesetzt. Wenn man so wie er, Literatur auch
       kontrovers zum Thema macht, funktioniert es auch im Fernsehen. Bei ARD und
       ZDF gibt es gute Beispiele dafür, siehe Wolfgang Herles und sein „blaues
       Sofa“. Und auf 3sat findet Literatur im Rahmen der Sendung „Kulturzeit“
       nahezu täglich statt.
       
       Ist das Fernsehen überhaupt noch ein Ort für kulturelle und intellektuelle
       Debatten? 
       
       Diesen Anspruch des Mediums gibt es nicht als Monopol. Das Netz ist heute
       der Ort, wo jeder selbst und unabhängig von einer vermittelnden Instanz
       ganz schnell ganz viele Leute erreichen kann. Dadurch verselbstständigen
       sich die Debatten. Sie folgen einer gänzlich anderen kulturell-dynamischen
       Konfiguration. Sie warten nicht darauf, dass ihnen das Fernsehen ein Forum
       bietet. Was davon für das Fernsehen relevant ist, lässt sich nicht immer
       leicht herausschälen.
       
       Herausgehobene Diskurse sind im Fernsehen aber weiterhin wichtig und
       sinnvoll, solange es die geeigneten Köpfe gibt, diese Debatten ins
       Fernsehen zu transportieren. Insofern kann ich über die Spöttelei, mit der
       man deren Vermittlern, etwa [6][Richard David Precht] im ZDF, hin und
       wieder begegnet, nur schmunzeln. Wir wollen doch gerade Leute, die
       verständlich rüberkommen. Jemand der nicht verstanden wird, bringt dem
       Zuschauer keinen Gewinn. Über die inhaltliche Substanz soll man streiten,
       gewiss, aber die verständliche Vermittlung ist für ein Massenmedium nun mal
       essentiell. Nur so entstehen im Fernsehen breite, relevante und lebendige
       Debatten.
       
       Was kann man ändern? Gab es im Rahmen des kürzlich vollzogenen
       [7][„Aspekte“-Relaunches] auch beim Preis Neuerungen? 
       
       Die Statuten sind die gleichen geblieben. Wir haben aber die Jury neu
       zusammengesetzt. Darin äußert sich auch eine kleine Neuausrichtung des
       Preises. Die Jury ist jünger und weiblicher geworden. Mit der streitbaren
       Journalistin und Autorin Jana Hensel und dem Schauspieler Clemens Schick
       haben wir, neben mir, zwei neue Mitglieder, die nicht aus der klassischen
       Literaturkritik kommen und einen anderen Blick auf die Texte eingebracht
       haben.
       
       Hat sich dies auch in den Diskussionen niedergeschlagen? 
       
       Gerade die klassischen Literaturkritiker mussten sich damit
       auseinandersetzen wie jemand, der nicht aus diesem Metier kommt, urteilt.
       Das hat durchaus für Überraschungen gesorgt. Gerade bei der Frage, was
       sucht man in einem Debütroman, was macht ihn besonders? Will man eine junge
       neue Stimme oder sucht man etwas Fertiges, das nur den allerhöchsten
       Ansprüchen genügt.
       
       Wäre es denkbar aus dem aspekte-Literaturpreis ein innovatives
       Fernseh-Format zu machen? Vielleicht auch um dem anachronisitschen
       Bachmann-Preis etwas entgegenzusetzen. 
       
       Wir wollten in diesem Jahr den Preis über die Neuausrichtung der Jury
       weiter voranzubringen. Dies ist uns, so glaube ich, auch gelungen. Über
       andere Darstellungsformen ist bislang nicht nachgedacht worden. Dennoch
       haben wir uns im Hinblick auf die Online-Präsentation der Nominierten
       breiter aufgestellt. Letztlich ist die Frage der Präsentation des Preises
       im Fernsehen auch eine Frage des Aufwands und der Sendezeit.
       
       12 Oct 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.hanser-literaturverlage.de/buecher/buch.html?isbn=978-3-446-24131-2
   DIR [2] http://www.zdf.de/aspekte/Sechs-B%C3%BCcher-im-Finale-28488204.html
   DIR [3] /Literatur-Wettbewerb-in-Klagenfurt/!119435/
   DIR [4] http://www.litcologne.de/startseite/
   DIR [5] /!123995/
   DIR [6] /1/archiv/digitaz/artikel/
   DIR [7] http://www.sueddeutsche.de/medien/zdf-sendung-aspekte-auf-dem-weg-ins-unkonventionelle-1.1764223
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Scheper
       
       ## TAGS
       
   DIR ZDF
   DIR taz.gazete
   DIR Wald
   DIR Terézia Mora
   DIR Klagenfurt
   DIR taz.gazete
   DIR ZDF
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR 3sat feiert 30. Geburtstag: Die öffentlich-rechtliche Bad Bank
       
       Seit dem 1. Dezember 1984 liefert 3sat anspruchsvolles Kultur- und
       Wissenschaftsfernsehen. Für die Zukunft sollen die digitalen Formate
       ausgebaut werden.
       
   DIR Neues Natur-Magazin: Im Dickicht der Interessen
       
       „Wald – die ruhigen Seiten des Lebens“ versucht die Gratwanderung zwischen
       Corporate Publishing und Journalismus mit guten Geschichten.
       
   DIR Buchpreis-Trägerin Terézia Mora: Ein Ereignis
       
       In Ungarn geboren, schöpfen die Texte von Terézia Mora aus dieser Herkunft.
       Sie gibt ihren Figuren durch Sprache allen Raum und erzählt mitreißend.
       
   DIR Ingeborg-Bachmann-Preis 2013: Niemand ist tot oder pervers
       
       Impressionen vom 37. Bachmann-Wettlesen: Von Käfer-Nerds, Jurydiskussionen,
       Schamhaarliteratur und der steten Angst vor dem Ende des Bewerbs.
       
   DIR ZDF schafft Sender ab: Das Ende von ZDFkultur
       
       Intendant Thomas Bellut wird dem Fernsehrat das Ende von ZDFkultur
       vorschlagen. Und das Gremium wird ihm wohl folgen.
       
   DIR Entlassungen beim ZDF: Bis zu 400 Stellen weniger
       
       Weil das ZDF einst über Gebühr expandierte, leiden jetzt die Mitarbeiter.
       Der Sender soll 75 Millionen Euro beim Personal sparen.
       
   DIR ZDFkultur-Chef geht: Das Ende vom Anfang?
       
       Der von Sparvorgaben gebeutelte Minidigitalsender ZDFkultur verliert seinen
       Chef Daniel Fiedler. Das verbessert die Zukunftsaussichten des Senders
       nicht.