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       # taz.de -- Pilotprojekt: Sportliche Mimik
       
       > Das Junge Deutsche Theater und die Basketballer von Alba Berlin
       > veranstalten ihr erstes „Kunst- und Sportcamp“ für Jugendliche.
       
   IMG Bild: Sportlicher Ansatz trifft auf schauspielerisches Talent
       
       „Rising Nick“ macht die Usain-Bolt-Geste. Als hielte er Pfeil und Bogen,
       reckt der Jugendliche die Arme in die Luft. „La Diva“ hingegen stolziert,
       die Hände in die Hüften gestemmt. Und „Easy Going“ schlufft einfach nur
       herum, an einer imaginären Zigarette ziehend. Zu Musik aus dem Gettoblaster
       und Ankündigung per Megafon laufen die SpielerInnen auf dem Platz ein.
       
       Die Jungen und Mädchen mit den fantasievollen Namen sind TeilnehmerInnen
       des ersten „Kunst- und Sportcamps“ am Deutschen Theater in Mitte, das
       derzeit stattfindet. Das Junge Deutsche Theater (Junges DT) kooperiert mit
       den Basketballern und Trainern von Alba Berlin, um das Minen- und
       Gestenspiel mit sportlicher Aktivität zu verbinden. Gerade findet einer der
       Workshops auf dem Sportplatz neben dem Deutschen Theater statt.
       
       Aber Theater und Sport? Geht das zusammen? Gehört das gar zusammen? In
       Berlin, das eher als Kultur-, weniger als Sportstadt bekannt ist, wünschen
       sich Akteure beider Felder, wie etwa DT-Intendant Ulrich Khuon und
       Alba-Vizepräsident Henning Harnisch, dass die unterschiedlichen Sphären
       mehr miteinander verknüpft werden.
       
       Das Deutsche Theater bietet seit vier Jahren Workshops für Jugendliche
       zwischen 12 und 22 Jahren in den Herbstferien an. Diesmal aber, in der
       Kombination mit Sport, ist manches anders. Es seien zum Beispiel mehr
       Jungen da, sagt Birgit Lengers vom Jungen DT, und nicht alle seien vorher
       theateraffin gewesen. „Viele bewundern auch die Alba-Leute und freuen sich,
       die hier zu treffen.“
       
       Auf dem Programm für die insgesamt 60 Jugendlichen steht vormittags
       meistens Sport, diverse Ballspiele und Ausdauerübungen, manchmal sogar in
       den Alba-Trainingsstätten. Nachmittags teilen sie sich in sechs
       verschiedene Camps auf, die im und um das Deutsche Theater stattfinden.
       
       „Gerade mit Jugendlichen macht es total Sinn, das zu verbinden“ sagt
       Bettina Grahs, Schauspielerin und eine der beiden Leiterinnen von Camp
       Vier. „Durch die Bewegung sind ihre Sinne nicht so auf die eigene Wirkung
       konzentriert, und sie kommen mehr aus sich heraus.“ Und sie sieht noch mehr
       Vorteile: „Manche Übungen aus dem Basketball können wir Theatermenschen
       total gut gebrauchen – wenn etwa trainiert wird, als Team im Gefüge zu
       funktionieren, sich gegenseitig die ’Bälle‘ zuzuspielen und einander zu
       ersetzen, falls nötig“.
       
       ## Wer steht wo im Raum?
       
       Anders herum ist Tanja Djurdjev, langjährige Trainerin der Alba-Frauen und
       zweite Leiterin der Gruppe, angetan von Übungen aus der Theaterpädagogik –
       etwa wenn Wachsamkeit trainiert wird. „Wir müssen ja auch immer wissen, wer
       wo im Raum steht“, sagt sie. Außerdem täusche man beim Basketball auch vor,
       zum Beispiel einen anderen Spielzug zu machen. Diese Züge, auch
       Schnittmuster genannt, sind ohnehin wie kleine, vorher einstudierte
       Performances.
       
       Grahs leitet derweil die nächste Übung an: ein Mix aus Basketball und
       Schauspiel. Nach jedem Pass folgt eine kurze Schauspieleinlage: etwa so
       tun, als sei man verletzt, oder ein kurzes Tänzchen aufführen.
       
       Leicht außer Atem erklärt Nikolas alias „Rising Nick“ später, dass für ihn
       kein anderes als Camp als Nummer Vier infrage kam, „Bekenntnisse auf dem
       Feld“. „Es ist einfach das mit dem meisten Sport“ sagt er. Der 16-Jährige
       trainiert fast täglich; mit seiner Kanu-Polo-Mannschaft ist er Deutscher
       Meister. Für Theater hat er sich bisher nicht sehr interessiert. Seine
       Schwester, die im Jungen DT spielt, hat ihn auf das Camp aufmerksam
       gemacht. Sie wusste, der Sport würde ihn locken. Jetzt gefällt es ihm so
       gut, dass er Lust hat, regelmäßig im jungen DT mitzumachen.
       
       Auch Sportphilosoph Gunter Gebauer ist von dem „Kunst- und Sportcamp“ ganz
       begeistert: „Ich plädiere schon länger dafür, die beiden Sphären zu
       verbinden, und Sie sehen ja hier im Camp: Das funkt richtig!“ Auf einer
       Matinee am Sonntag im Deutschen Theater sprachen Akteure wie Gebauer aus
       Sport und Theater über diese Zusammenführung via Feriencamp.
       
       Gebauer bedauert, dass Berlin nicht als Sportstadt gelte. „Das liegt
       daran“, sagt er, „dass es immer nur um Fußball geht – und da ist Berlin
       nicht überragend. In anderen Sportarten aber schon: die Füchse im Handball,
       die Albatrosse im Basketball, die Eisbären im Eishockey.“
       
       Auch Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters, ist ein großer
       Sportfan und vergleicht das Ensemble gern mit einer Mannschaft und den
       Regisseur mit einem Trainer. „Und die Schauspieler“, erklärt er, „genau wie
       die Sportler, verausgaben sich und geben sich gleichzeitig preis, denn
       verstecken können sich beide nicht.“ Hingerissen von der
       Spannungsdramaturgie der Basketballspiele schleife er bisweilen seine
       Dramaturgen zu Alba Berlin. „Da können sie noch was lernen“, sagt er und
       lacht. Dann nennt er noch die vielleicht schönste Gemeinsamkeit von Sport
       und Theater: „Die Menschen kommen dafür zusammen, weil sie es lieben – und
       nicht, weil es zu etwas nütze wäre.“
       
       Der Graben zwischen KünstlerInnen und Sport, zwischen SportlerInnen und
       Kunst entpuppt sich als gut genährtes Klischee. „Die Sportler denken, die
       Kulturleute verachten sie, und umgekehrt“, sagt Gebauer. „Das stimmt aber
       gar nicht.“
       
       Auf dem Sportplatz neben dem DT verstehen sie sich gut, die jugendlichen
       Sportfreaks und Schöngeister. Gemeinsam arbeiten sie an einer Performance
       für die öffentliche Abschlusspräsentation am 12. Oktober. Dann können alle
       BerlinerInnen durch das Deutsche Theater laufen und werden auf lauter
       kleine Performances der einzelnen Camps treffen. Camp Vier wird ein
       Basketballspiel aufführen, das aus dem Ruder läuft, weil „Rising Nick“, „La
       Diva“ und „Easy Going“ sich dem Charakter ihrer Spielerrolle sehr hingeben.
       
       8 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Maja Beckers
       
       ## TAGS
       
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