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       # taz.de -- Ideen für eine bessere Flüchtlingspolitik (1): Einen humanitären Korridor öffnen
       
       > Europa bietet politisch Verfolgten Asyl. Doch gibt es keine legalen
       > Einreisemöglichkeiten. Menschenrechtler fordern eine freie und gefahrlose
       > Passage.
       
   IMG Bild: Überlebende eines Bootsunglücks im Juli vor Lampedusa
       
       Das Problem 
       
       Es gehört zum Kern des europäischen Selbstverständnisses: Politisch
       Verfolgte genießen Schutz. Alle Länder Europas haben sich darauf
       festgelegt. Doch wie Flüchtlinge dieses Recht in Anspruch nehmen können,
       steht nirgends. Eine legale Möglichkeit, in die EU einzureisen, um hier
       einen Asylantrag zu stellen, existiert nicht.
       
       Das ist der Hauptgrund dafür, dass seit den 1990er Jahren über 20.000
       Menschen auf dem Weg nach Europa gestorben sind. Denn nur mit Hilfe von
       Schleppern, auf kleinen Booten und abseitigen Routen kommt man als
       Flüchtling noch nach Europa. An diesem Zustand hat auch die jahrelang
       verhandelte Einführung des neuen europäischen Asylsystems nichts geändert.
       
       Die Reform 
       
       Das jüngste Schiffsunglück vor Lampedusa hat die Forderung nach einem
       Einreiserecht für Asylsuchende wieder auf die politische Agenda gesetzt.
       „Entscheidend ist die freie Passage über das Mittelmeer. Nur so können
       solche Katastrophen beendet werden“, sagt Helmut Dietrich von der
       Forschungsgesellschaft Flucht und Migration FFM.
       
       Bürgerrechtsorganisationen rund um das italienische Netzwerk „Melting Pot
       Europe“ formulierten in den vergangenen Tagen einen „Appell zur Öffnung
       eines humanitären Korridors“. Ihr Vorschlag: Die EU soll „Kriegsflüchtlinge
       ermöglichen, direkt bei den europäischen Institutionen in Libyen, Ägypten,
       Syrien oder wo immer es nötig ist (in den Konsulaten oder anderen
       EU-Büros)“ ihren Asylwunsch vorzubringen. Dort soll ihnen die gefahrlose
       Einreise in die EU ermöglicht werden.
       
       Mittlerweile verbreiten Nichtregierungsorganisationen aus ganz Europa den
       Aufruf. „Wir wollen Handlungsperspektiven diesseits und jenseits des
       Mittelmeers entwickeln und die europäischen Institutionen tatkräftig an
       ihre Bindung an die Menschenrechte erinnern“, sagt Dietrich. Er rechne
       damit, dass Asyl-Flüchtlinge demnächst EU-Einrichtungen aufsuchen und eine
       freie Passage nach Europa fordern. „Wir wollen schon jetzt planen, wie wir
       diese Forderung dann unterstützen können.“
       
       Wer hätte etwas davon? 
       
       Vor allem Angehörige von Krisenstaaten wie Afghanistan, Somalia, Syrien
       oder Eritrea. Wenn sie es erst mal nach Europa schaffen, haben ihre
       Asylanträge durchaus Erfolgsaussichten. Würde Europa ihnen einen legalen
       Zugang einrichten, bliebe ihnen die bislang nötige Schiffspassage in
       Zukunft erspart.
       
       Der Haken am Konzept 
       
       Die Konsulate in den Transit- und Herkunftsländern zu neuen Anlaufstellen
       für Asylsuchende zu machen, ist nicht ohne Risiko. Es könnte
       Begehrlichkeiten wecken, die Asylverfahren mittelfristig gleich ganz in
       Nordafrika abzuwickeln. Das hatten 2003 schon der damalige deutsche
       Innenminister Otto Schily (SPD) und der ehemalige britische Premierminister
       Tony Blair vorgeschlagen und damit heftige Kritik ausgelöst.
       Menschenrechtsorganisationen lehnen ein solches Modell strikt ab: Ohne
       Rechtsschutz und unabhängige Aufklärung hätten Flüchtlinge endgültig keine
       Chance mehr, ihre Rechte wahrzunehmen, fürchten sie.
       
       Aussichten auf Umsetzung? 
       
       Dürftig. In Sachen Migration hat die EU in den letzten Jahrzehnten eine
       klare Linie der Abwehr von Flüchtlingen verfolgt.
       
       7 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Jakob
       
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