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       # taz.de -- Flüchtlinge vom Oranienplatz: „Wir verfolgen das in Lampedusa“
       
       > Am Kreuzberger Oranienplatz sind die meisten Flüchtlinge über Italien
       > nach Deutschland gekommen, Asyl dürfen sie daher nicht beantragen. Ihr
       > Protest soll weitergehen.
       
   IMG Bild: Ein Flüchtling sitzt im Juli 2013 in einem der Zelte des Camps am Oranienplatz
       
       Ein Junge fährt mit einem Fahrrad über den Schotter, auf den Parkbänken
       sitzen Familien mit ihren Kindern, nebenan zündet sich ein alter Mann eine
       Zigarette an. Viele Menschen sind an diesem Freitagvormittag gekommen, um
       sich bei Sonnenschein auf den Oranienplatz zu setzten. Die Zelte um sie
       herum wirken, als gehörten sie längst ins Stadtbild. Doch langsam verlieren
       die alten Platanen ihre Blätter – es wird Herbst in Kreuzberg.
       
       Direkt neben dem Informationszelt sitzen Cissé und Mohammed in der
       schwachen Mittagssonne. Beide sind 2011 aus Mali geflüchtet, seit März
       leben sie in der Zeltstadt. „Die Kälte macht uns fertig“, sagt Cissé, der
       ein deutsch-französisches Wörterbuch in der Hand hält. In der Nacht zeigte
       das Thermometer fünf Grad. Laut Wetterbericht bleiben die Werte auch in den
       kommenden Nächten einstellig.
       
       Auf der gegenüberliegenden Seite des Camps hängt ein blaues Transparent.
       Darauf steht in bunten Buchstaben: „Wohnung statt Lager“. Eine Forderung,
       die fast alle Flüchtlinge hier teilen. Cissé behauptet, dass es etwa 200
       Menschen sind, die über das Mittelmeer und die italienische Insel Lampedusa
       auf den Oranienplatz gekommen sind.
       
       Mohammed ergänzt: „An unserer Situation hat sich seit 2011 nichts geändert,
       wir brauchen eine Unterkunft und Arbeit.“ Doch das Protestcamp wollen sie
       deshalb trotzdem nicht aufgeben. „Die Geschichte dieses Camps, ist die
       Geschichte unseres Flüchtlingsprotests in Deutschland.“ So formuliert es
       Cissé. Der Meinung ist auch Victor. Er steht in dem kleinen Infozelt, ein
       Spender hat dort gerade Hemden vorbeigebracht. Ob er von der neuen Havarie
       vor der Küste Lampedusas gehört habe? „Zweihundert Menschen sind dort
       umgekommen, wir verfolgen das von hier, so gut es geht“, sagt er. „Ich bin
       glücklich, noch am Leben zu sein. Bei der Flucht aus Libyen habe ich meinen
       Freund verloren.“
       
       Deutschland und Europa müssten endlich ihre Asylgesetze ändern, damit
       solche Tragödien nicht weiter passierten, meint Victor. Doch bis dahin
       werde ihr politischer Kampf weitergehen.
       
       4 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Cem-Odos Güler
       
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