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       # taz.de -- Referendum in Irland: Die zweite Kammer wird eingemottet
       
       > Die Bürger stimmen über Abschaffung des irischen Senats ab. Die Regierung
       > verkauft das als Möglichkeit, Millionen Euro einzusparen. Das zieht bei
       > den Wählern.
       
   IMG Bild: Diesen Schafen im schönen Kilkenny County ist das Referendum herzlich egal.
       
       DUBLIN taz | Die Iren müssen am heutigen Freitag in einem Referendum
       entscheiden, ob sie den „Seanad“ abschaffen wollen. Dieser Senat ist neben
       dem Abgeordnetenhaus Dáil und dem Staatspräsidenten das dritte Element des
       Gesetzgebungsprozesses. Macht hat er allerdings kaum.
       
       Alle vom Dáil angenommenen Gesetzesvorlagen werden an den Senat verwiesen.
       Umgekehrt kann auch der Senat Gesetzesvorlagen einbringen, die nach ihrer
       Annahme an den Dáil verwiesen werden. Endgültig verhindern kann der Senat
       jedoch kein Gesetz, er kann die Verabschiedung höchstens neunzig Tage
       hinauszögern. Ein Senatsposten gilt als Trostpflaster für gescheiterte
       Dáil-Kandidaten.
       
       Die rechte Regierungskoalition aus Fine Gael und dem Juniorpartner Labour
       argumentiert, man spare mit der Abschaffung 20 Millionen Euro im Jahr ein.
       Aber auch linke Organisationen plädieren dafür, die Kammer einzumotten.
       „Der Elitismus und der undemokratische Charakter sind in der DNS des Senats
       angelegt“, sagt Paul Murphy, der EU-Abgeordnete der Sozialistischen Partei.
       „Keine Reform wird verhindern, dass er ein Spielball des Establishments
       bleibt.“
       
       Murphy meint damit die Art, wie die 60 Senatoren ernannt werden: Elf werden
       vom Premierminister bestimmt, sechs werden von den Graduierten der
       Universitäten gewählt und die übrigen kommen aus einem Kreis von „Personen
       mit Sachkenntnis und praktischer Erfahrung in bestimmten Interessens- und
       Dienstleistungsbereichen“ – so heißt es offiziell. Letztendlich werden auch
       sie von der politischen Elite ernannt.
       
       ## Raum für Misstrauen
       
       Die Abschaffung des Senats ist Teil der „politischen Reformen“, die von der
       Regierung vor zweieinhalb Jahren angekündigt worden sind. Wo sie hinführen
       sollen, ist unbekannt. Das lässt Raum für Misstrauen. Ginge es nur um die
       Abschaffung des Senats, wäre der Fall klar, schreibt der politische
       Kommentator Fintan O’Toole: „Dahinter steht aber die Frage: Wollen wir bei
       dieser Parodie einer politischen Reform mitspielen?“ Ein Ja würde die
       Regierung als Zustimmung zu ihrem „zynischen Spielchen mit Pseudoreformen“
       werten.
       
       ## 
       
       Die zum Regierungsantritt gemachten Versprechungen seien alle verpufft:
       Mehr Macht für die Dáil-Ausschüsse, Verpflichtung aller Behörden auf
       fristgerechte schriftliche Antwort auf Abgeordnetenanfragen, keine
       Zeitbegrenzung bei Gesetzesdebatten – nichts davon ist umgesetzt worden.
       Statt dessen hat die Koalition einen „Economic Management Council“
       gegründet.
       
       Dieser „Wirtschaftsrat“ ist eine Art Kriegskabinett, das Irland durch die
       Finanzkrise steuern soll. Er besteht aus dem Premierminister, seinem Vize,
       den Ministern für Finanzen und Reform des öffentlichen Sektors sowie
       Beraterstäben. Der Rat mit vier gewählten und vielen nicht gewählten
       Mitgliedern bestimmt die Geschicke des Landes. Von ihm stammt auch die
       Initiative, den Senat abzuschaffen. Das könnte klappen, das Kostenargument
       scheint zu verfangen: Fast zwei Drittel der Befragten sagten bei Umfragen,
       dass sie dafür stimmen werden.
       
       4 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
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