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       # taz.de -- „Miss Teen USA“ mit Nacktfotos erpresst: Der Spanner aus der Webcam
       
       > Jared A. hat über Monate hinweg die Webcams von jungen Frauen gehackt und
       > sie ausspioniert. Als er versuchte eine Mitschülerin zu erpressen, flog
       > er auf.
       
   IMG Bild: Cassidy Wolf ist schockiert: Hier über den Sieg bei „Miss Teen USA“.
       
       BERLIN taz | Als der junge Mann Ende September von der Polizei abgeführt
       wird, empfindet Cassidy Wolf Mitleid. „Er war in meiner Schulklasse“, sagt
       sie [1][einer Fernsehmoderatorin]. „Er war jung, so alt wie ich, und es ist
       traurig, dass er sich entschied, das zu tun und sich in diese Lage gebracht
       hat.“ Und doch ist sie erleichtert, dass es mit der Festnahme des
       19-Jährigen ein Ende hat.
       
       Für das, was der bleiche Mann mit den tiefliegenden Augen getan haben soll,
       braucht man wirklich kein Verständnis haben. Schon gar nicht als Opfer. Der
       Mann, Jared A., hatte Wolf eine Software auf den Rechner gespielt,
       [2][heißt es in Gerichtsunterlagen], mit der er ihre Kamera fernsteuern
       konnte; er hat sie monatelang beobachtet, ohne dass sie es wusste; er hat
       Fotos von ihr gemacht, als sie sich auszog; und schließlich hat er sie mit
       den Bildern erpresst. „Wenn du nicht tust, was ich dir sage“, schrieb er
       ihr. „Werde ich deine Träume, ein Model zu werden, in einen Pornostar
       verwandeln (sic!)“.
       
       Cassidy Wolf ist im August trotzdem „Miss Teen USA“ geworden. Einer ihrer
       Themenschwerpunkte wird „Sextortion“ sein, gibt sie kurz darauf bekannt,
       die Erpressung durch Nackt- und Sexfotos.
       
       Jared A. und Cassidy Wolf haben die gleiche Schule in Kalifornien besucht.,
       gesprochen hatten sie nie. „Es ist seltsam, dass ich der Person, die mir
       das angetan hat, ein Gesicht geben kann“, sagt Wolf. „Und dass es jemand
       ist, mit dem ich zur Schule ging.“
       
       ## „Sexuelle Bilder“ von „heißen Mädchen“
       
       Zwei Jahre vor seiner Festnahme, im Sommer 2010, ist Jared A. noch am
       Anfang seines Hackerdaseins. Er ist 16 oder 17 Jahre alt, meldet sich in
       einem Forum an und liest Hack-Anleitungen für Anfänger. Er informiert sich,
       wie man die Kontrolle über fremde Webcams übernehmen kann und wie man
       Schadsoftware über Facebook verbreiten kann. Es vergehen gut anderthalb
       Jahre, bevor er einen ersten Keylogger besorgt. Die Software schreibt mit,
       was an einem Computer eingetippt wird. Sie ist perfekt, um Passwörter zu
       klauen.
       
       Kurz darauf beginnt er auch mit der Software zu arbeiten, mit der er
       Dateien auf infizierten Computern durchsuchen kann, die Kontrolle über die
       Webcam oder gar den gesamten Rechner übernehmen kann. Bis zu 150 Rechner
       habe er mit der Software infizieren können, erzählt er bei seiner Festnahme
       der US-Bundespolizei FBI. Neben Cassidy Wolf hat er auch noch andere Frauen
       bespitzelt und erpresst. Sechs weitere Opfer hat das FBI ermitteln können,
       aus den USA, aus Irland, Kanada, Russland und Moldawien.
       
       In dem Forum, in dem sich A. herumtreibt, finden sich zahlreiche
       Beschreibungen von solchen Übernahmen. Die Schadsoftware wird einer Person
       per Mail-Anhang geschickt, sie installiert sich und kann vom Computer des
       Hackers aus gesteuert werden. Der wartet ab, beobachtet und sammelt
       kompromittierendes Material, entweder, indem er Bilder mit der Kamera
       aufnimmt, oder indem er direkt die Daten auf dem Rechner durchsucht. Dann
       können die Opfer zur Herausgabe weiterer Nackt- oder gar Sexfotos erpresst
       werden. Besonders gefragt sind „sexual pics“ von „hot girls“ („sexuelle
       Bilder“ von „heißen Mädchen“).
       
       Nicht allen geht es aber darum, denn meist geht es mehr um Macht als um
       Sex. Sie ergötzen sich an der Kontrolle, die sie über ihre „vics“ (von
       „victims“ = Opfer) oder „slaves“ (=Sklaven) haben. Sie erzählen, wie sie
       ihre Opfer stundenlang beobachten und interessante Szenen sorgfältig
       verschlagwortet abspeichern. Sie posten Videos von erschreckten
       Computernutzern, deren Browser sie mal kurzerhand auf Pornoseiten umleiten.
       „Was ist der bizarrste Augenblick, den ihr erlebt habt“ ist einer der
       beliebtesten Gespräche im Forum.
       
       ## „Alter ist mir egal“
       
       Im Mai 2012 schreibt A. ins Forum „Ich habe jemanden aus meiner Schule
       infiziert. […] Das Mädchen ist ein Model und dabei ein sehr gutaussehendes
       :D“. Gemeint ist sehr wahrscheinlich Cassidy Wolf, die zu diesem Zeitpunkt
       erst 17 ist. Auch A. ist vermutlich noch minderjährig.
       
       Ein Jahr später bemerkt Wolf seltsame Aktivitäten im Netz: Facebook meldet,
       dass jemand versucht hat, ihr Passwort zu ändern; ihre Twitter, Tumblr und
       Yahoo-Passwörter sind schon verändert und auf ihrem Twitterkonto ist sie
       halb nackt zu sehen.
       
       Kurz darauf meldet sich A. bei Wolf von einem anonymen E-Mail-Konto. Darin
       droht er „Tausende Nacktbilder“ von Wolf im Netz zu verbreiten. Das
       Schicksal könne sie aber abwenden: „Wenn du eines der Folgenden tust, werde
       ich dir deine Konten wiedergeben und die Bilder löschen: 1) Schicke mir
       Bilder von dir in hoher Qualität, 2) erstelle ein hochauflösendes Video, 3)
       geh auf Skype und tue 5 Minuten lang, was ich dir sage“. Wolf ruft die
       Polizei.
       
       Aber in den Wochen darauf, lassen sich andere Frauen erpressen. Im April
       2013 antwortet eine junge Frau A.: „Ich lade Skype herunter. Bitte denke
       daran, dass ich erst 17 bin. Hab ein Herz.“ A. schreibt zurück: „Ich habe
       kein Herz!!! Aber ich halte mich an Abmachungen! Außerdem bedeutet mir
       Alter gar nichts.“ Im Mai schreibt eine andere Frau: „ich habe gestern
       gebeten, nicht mein Gesicht zu zeigen“ A.: „du wirst alle Teile von dir
       zeigen! Aber ich werde nichts aufnehmen“.
       
       Beide Frauen, das erzählt A. später der Polizei, hätten sich nach seinen
       Anweisungen ausgezogen. Sein jüngstes Opfer sei 16 gewesen. Dem FBI erzählt
       er, ihm sei bewusst gewesen, dass einige der Frauen minderjährig waren.
       
       ## Spuren im Netz
       
       Zu diesem Zeitpunkt ist die Polizei A. schon auf der Spur. Jared A. hat
       geklaute Mail-Adressen verwendet und seine IP-Adresse verstecken können.
       Eine Mail-Adresse, die er benutzt, ist allerdings auf den Namen seines
       Vaters angemeldet; eine der IP-Adressen, auf die die Polizisten stoßen,
       führt sie zu A.'s Universität. Am 4. Juni durchsuch das FBI die Wohnung der
       Familie A..
       
       Zwei Monate später gewinnt Cassidy Wolf den Schönheitswettbewerb „Miss Teen
       USA“. Einen weiteren Monat später wird Jared A. festgenommen und einem
       Richter vorgeführt. Er kommt auf Kaution in Höhe von 50.000 Dollar frei. Er
       muss einen GPS-Peilsender tragen und darf das Internet nicht verwenden.
       Seine Familie entschuldigt sich in einer Mitteilung für die „Konsequenzen
       seines Verhaltens“.
       
       3 Oct 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.today.com/news/miss-teen-usa-has-mixed-emotions-after-arrest-sextortion-suspect-8C11275299
   DIR [2] http://i2.cdn.turner.com/cnn/2013/images/09/26/cr.1.complaint.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lalon Sander
       
       ## TAGS
       
   DIR Hacker
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   DIR sexueller Übergriff
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