# taz.de -- Projekt „Soziales Europa“: Nur Mobilität ist förderwürdig
> Die Währungsunion soll sozialer werden. Sozialprojekte will Brüssel aber
> nicht. Nicht mal eine gemeinsame Arbeitslosenkasse.
IMG Bild: Arbeitslose Jugendliche wie hier in Spanien? Kein sanktionsfähiges Thema im neuen Sozialen Europa.
BRÜSSEL taz | Arbeitslose in Europa sollen künftig vermehrt auf Jobsuche im
EU-Ausland gehen, doch auf eine europäische Arbeitslosenhlfe dürfen sie
nicht hoffen. Dies geht aus einem Vorschlag zur „sozialen Dimension“ der
Euro-Währungsunion hervor, den die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel
veröffentlicht hat. Gewerkschaften, Sozialdemokraten und Grüne sprechen von
einer „vertanen Chance“.
Für Empörung sorgt vor allem, dass die Kommission die Idee einer
gemeinsamen Arbeitslosenversicherung für die Euro-Länder gestrichen hat.
Dieses Projekt hatten EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und
Kommissionschef José Manuel Barroso im vergangenen Jahr vorgeschlagen, um
die Jobkrise in der Währungsunion einzudämmen.
Die Arbeitslosenkasse war auch noch in ersten Entwürfen zur „sozialen
Dimension“ enthalten. Doch offenbar mit Rücksicht auf Kanzlerin Angela
Merkel und die Bundestagswahl wurde der Text immer mehr verwässert. In der
nun veröffentlichten Endfassung ist bis auf ein paar unverbindliche
Absichtserklärungen kein einziges konkretes Sozialprojekt mehr enthalten.
Nur die „Mobilität der Arbeitnehmer“ – also die grenzüberschreitende Suche
nach einem Job – wird als förderungswürdig herausgestellt.
Ansonsten schlägt die Kommission eine noch stärkere Überwachung der
Euroländer vor – diesmal auf dem Feld der Sozialpolitik. Die
Arbeitslosenquote, das Armutsrisiko und die Einkommensentwicklung sollen
künftig näher unter die Lupe genommen werden.
## 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit ohne Folgen
Allerdings soll es keine mit Strafen bewehrte Grenzwerte wie in der
Finanzpolitik geben. Ein dreiprozentiges Budgetdefizit kann
milliardenschwere Sanktionen auslösen, mehr als 50 Prozent
Jugendarbeitslosigkeit hingegen bleiben ohne Folgen.
Aus Sicht von Annelie Buntenbach vom DGB-Bundesvorstand ist dies ein
Skandal: „Es ist unverantwortlich, dass die EU-Kommission keine
verbindlichen sozialpolitischen Sicherungen verankert, während
Arbeitnehmerrechte, Löhne und Renten in den Krisenländern wie mit dem
Bulldozer platt gewalzt werden.“ Die EU versuche ihre Politik mit einem
„sozialen Anstrich“ zu dekorieren, so Buntenbach. Die Gewerkschaften hoffen
bereits seit dem Maastricht-Vertrag 1992 auf ein „soziales Europa“ –
vergeblich.
Scharfe Kritik kommt auch aus dem Europaparlament. „Der Fahrplan zur
Zukunft der Eurozone stirbt einen langsamen aber sicheren Tod“, kritisierte
Sven Giegold von den Grünen. Nun werde die Idee einer europäischen
Arbeitslosenversicherung beerdigt, obwohl sie das Auf und Ab der Konjunktur
glätten könnte, ohne dabei gleich zu einer Transferunion zu führen.
Ähnlich äußerten sich die Sozialdemokraten: Das Kommissionspapier sei ein
„letzter verzweifelter Versuch, das eigene Scheitern in der Sozialpolitik
zu kaschieren“, sagte Udo Bullmann, Chef der SPD-Gruppe. Die Brüsseler
Behörde reagiere auf die sozialen Folgen der Krise als Resultat ihres
harten Kürzungskurses mit einem „zahnlosen Papiertiger“.
2 Oct 2013
## AUTOREN
DIR Eric Bonse
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