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       # taz.de -- Kolumne Konservativ: Die Toten Hosenanzüge
       
       > „Herzlich willkommen am Tiefpunkt der Bandgeschichte“? Die Toten Hosen
       > wollen nicht, dass die CDU ihre Lieder singt? Das ist doch nur
       > konsequent.
       
   IMG Bild: Unter den Wolken: Angela Merkel klatscht, als Volker Kauder „Tage wie diese“ singt
       
       Das hatte die CDU nun wirklich nicht verdient. Gerade noch feierten die
       selbst erklärten Konservativen ihren Sieg bei der Bundestagswahl. Die
       Stimmung im Konrad-Adenauer-Haus war ausgelassen – oder was CDUler für
       ausgelassen halten.
       
       Auf dem Podium stehend, mühte sich die halbe Parteiführung um seriöse
       Fröhlichkeit: Merkel, von der Leyen, Gröhe, Pofalla, Laschet. Dann geschah,
       wie bei der FDP, zuvor Undenkbares: Volker Kauder zwang sich, „Tage wie
       diese“ von den Toten Hosen anzustimmen. Was haben sich die Toten Hosen beim
       Komponieren bloß gedacht?
       
       Na gut, die Antwort lautet wahrscheinlich: nichts. Auf der
       [1][Facebook-Seite der Band] hinterließen Fans wütende Kommentare wie
       „Herzlich willkommen am Tiefpunkt der Bandgeschichte!“. Das ist natürlich
       arg übertrieben. Die Band-Geschichte bietet ja viele Tiefpunkte.
       
       „Tage wie diese“ ist eine Art „Über den Wolken“ mit E-Gitarre.
       Konsequenterweise singen den Schlager auch Helene Fischer und Die
       Partygeier (“Die Vögelein vom Titicacasee“). Da war es nur eine Frage der
       Zeit, bis die CDU sich zwingt, die Düsseldorfer zu vereinnahmen. Die Toten
       Hosen sind die idealen Durchschnittsdeutschen.
       
       Die selbst erklärten Punk-Rocker vereinen die unangenehmsten Seiten der
       großen deutschen Sozialmilieus: die Bierseligkeit des Stammtischs
       (“Eisgekühlter Bommerlunder“, „Zehn kleine Jägermeister“), das säuerliche
       Moralisieren der Linken (“Sascha... ein aufrechter Deutscher“, „Kauf
       MICH!“) und die sentimentale Idealisierung des „wahren“ Lebens durch den
       nivellierten Mittelstand (“Freunde“).
       
       ## No future
       
       Die Toten Hosen sind die CDU der deutschen Musikindustrie. Die Union lässt
       zu, dass man sie mit Konservativen verwechselt. Die Toten Hosen lassen zu,
       dass man sie mit Punks verwechselt. Was Punk ist, dafür gibt es so viele
       Definitionen wie Unions-Mitglieder. Meine Privatdefinition: Punk ist ein
       Ausbruch von Energie, ein zielloses Dagegensein, ein stolzes, aber auch
       blindes Nein, die reflexhafte Ablehnung aller äußeren Anforderungen und
       Angebote. No future, und die Gegenwart kann mich auch mal.
       
       So gesehen, sind die Toten Hosen das Gegenteil von Punk. Im Pressetext zur
       Volker Kauder-Single „Tage wie diese“ lässt sich Sänger Campino so
       zitieren: „Das Lied ist auch unsere Reaktion auf diese ganze Nostalgie, die
       einem am Vorabend von so einem Jubiläum wie unserem 30jährigen Geburtstag
       entgegen schlägt. Wir waren immer eine Band, die in der Gegenwart lebt und
       nach vorne blickt.“
       
       Campino lebt also im Moment, zugleich guckt er aber nach vorn und zurück
       auf die eigene Geschichte. Das muss man erst mal sagen, ohne über sich
       selbst zu lachen. Für Campino kein Problem, denn er hat keinen Humor, er
       lacht nur gern laut.
       
       Die Hosen-Dreifaltigkeit ähnelt Angela Merkels Satz: „Mal bin ich liberal,
       mal bin ich konservativ, mal bin ich christlich-sozial – und das macht die
       CDU aus.“ Passt scho‘.
       
       ## „Unanständig und unkorrekt“
       
       Die Union nutzt „Tage wie diese“ seit seinem Erscheinen 2012 auf ihren
       Veranstaltungen. Die Band ließ dazu verlauten: „Wir haben nie ein Problem
       damit gehabt, wenn unser Lied vom Punkschuppen bis zum Oktoberfest den
       unterschiedlichsten Menschen Freude bereitet. Wir empfinden es aber als
       unanständig und unkorrekt, dass unsere Musik auf politischen
       Wahlkampfveranstaltungen läuft.“
       
       Besonders wichtig sind den Toten Hosen also Anstand und Korrektheit. So
       gesehen, ist Punk konservativ. Dann war das CDU-Karaoke am Wahlabend bloß
       konsequent.
       
       Als Kauder „Tage wie diese“ sang, da stand die Kanzlerin neben ihm. Sie
       klatschte anständig und korrekt in die Hände. Aber man konnte sehen, dass
       Campino und Merkel doch etwas unterscheidet. Sie wäre so gern von der Bühne
       gegangen.
       
       1 Oct 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.facebook.com/dietotenhosen
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Matthias Lohre
       
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