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       # taz.de -- Deutschland blockiert EU-Klimapolitik: Angie liebt die Autolobby
       
       > Die Kanzlerin will, dass die EU schärfere Grenzwerte für Emissionen von
       > Autos verschiebt. Das soll vor allem die deutschen Hersteller entlasten.
       
   IMG Bild: Hihi, ein Hybrid – Angela Merkel am Porschestand bei der IAA
       
       BRÜSSEL/BERLIN taz | Noch vor der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen
       versucht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Fakten gegen den Klimaschutz
       zu schaffen. Die noch amtierende Bundesregierung bereitet offenbar einen
       Tiefschlag gegen die europäische Klimapolitik vor, ohne einen neuen
       Regierungspartner einbinden zu müssen.
       
       Dies fürchten EU-Kommission und viele Europaabgeordnete, nachdem ein
       deutscher Vorschlag zur Aufweichung der Klimaziele für Neuwagen bekannt
       geworden war. Er kommt deutschen Produzenten von Luxusautos weit entgegen –
       und setzt sich über die jüngsten Warnungen des Weltklimarats IPCC hinweg.
       
       Der IPCC hatte am vergangenen Freitag gemahnt, dass sich die Erderwärmung
       weiter verschärft: Es drohe ein um gut ein Drittel höherer Anstieg des
       Meeresspiegels als bislang vorhergesagt. Der Meeresspiegel könnte bis 2100
       je nach Szenario um bis zu 98 Zentimeter steigen, so die IPCC-Experten. „Es
       gibt absolut keinen Platz für Bequemlichkeit“, sagte die
       EU-Klimaschutzkommissarin Connie Hedegaard. Doch genau am Tag der
       IPCC-Veröffentlichung sickerte durch, dass die Bundesregierung strengere
       Abgasregeln für Neuwagen um vier Jahre nach hinten verschieben möchte.
       
       Der in monatelangen Verhandlungen ursprünglich für das Jahr 2020
       vereinbarte Ausstoß von maximal 95 Gramm CO2 pro Kilometer soll demnach
       erst 2024 gelten. Die Autobauer bräuchten mehr „Flexibilität“, heißt es zur
       Begründung. Im Juni hatte die Bundesregierung durch Druck auf einzelne
       EU-Länder erreicht, dass der Beschluss vertagt wurde. Bei einer Sitzung der
       EU-Botschafter am Mittwoch will sie nun offenbar Fakten schaffen.
       
       ## Entsetzte Experten
       
       In Brüssel sorgt dies für Empörung. „Völlig inakzeptabel“, schimpft die
       Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Rebecca Harms. Der Vorstoß verwässere die
       EU-Klimaziele und schone die großen Spritschlucker.
       
       Auch Experten entsetzt Deutschlands Klimapolitik: „Die Physikerin Angela
       Merkel weiß ganz genau über das Klimaproblem Bescheid“, sagte der Kieler
       Klimaforscher Mojib Latif im Deutschlandradio Kultur. „Ich könnte es nicht
       besser formulieren, als sie es tut“, sagte der Forscher vom
       Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung.
       
       Es gebe „absolut kein Erkenntnisproblem“, sondern ein „Umsetzungsproblem“.
       Die Bundesrepublik verspiele ihre Glaubwürdigkeit in der Klimafrage, warnte
       Latif – und verwies ausdrücklich auf die Berliner Blockaden beim
       Emissionshandel und bei schärferen CO2-Grenzwerten für Autos. Dabei wäre es
       mit Blick auf die nächsten Klimaverhandlungen Ende des Jahres in Warschau
       wichtig, dass ein Land zeige, dass mit Nachhaltigkeit und sauberer
       Energiegewinnung Wirtschaftswachstum erzielbar sei.
       
       ## Klimaschutzkapitel im Koalitionsvertrag
       
       Noch am Freitag hatte Umweltminister Peter Altmaier gesagt, der
       IPCC-Bericht sei Anlass, beim Klimaschutz noch „eine Schippe draufzulegen“.
       Altmaier forderte ein eigenes Klimaschutzkapitel im kommenden
       Koalitionsvertrag. Der Bericht habe „die bisherige Politik der
       Bundesregierung und die ihrer Vorgängerregierungen“ bestätigt, erklärte der
       CDU-Politiker. Allerdings: Ob Altmaier in einer neuen Koalition sein Amt
       behält, ist völlig ungewiss.
       
       Frankreich kündigte am Montag an, im Kampf gegen die Folgen des
       Klimawandels auf ein globales Abkommen zur Emissionsreduzierung zu setzen.
       Eine solche Vereinbarung solle bis 2015 beschlossen werden, sagte
       Außenminister Laurent Fabius in Paris. Fabius stellte finanzielle Mittel
       für den Kampf gegen den Klimawandel in Aussicht, ohne konkrete Summen zu
       nennen.
       
       30 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
   DIR Kai Schöneberg
       
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