# taz.de -- Landwirtschaft killt Insekten: Schmetterlinge werden rar
> Hauhechel-Bläuling und Kleiner Feuerfalter sind bedroht. Den Faltern
> machen Pestizide und industrielle Landwirtschaft zu schaffen.
IMG Bild: Zwei Blutströpfchen bei der Arbeit.
BRÜSSEL/BERLIN taz | Nach dem massenhaften Bienensterben in Europa fürchten
Wissenschaftler nun auch um die Wiesenschmetterlinge. Deren Bestände sind
in den letzten 20 Jahren um fast 50 Prozent zurückgegangen.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Europäischen Umweltagentur (EUA).
Die Forscher warnen vor den Folgen für die Artenvielfalt in Europas
Wiesenlandschaften. Vor allem Pestizide und die intensive Landwirtschaft
machen den Schmetterlingen zu schaffen.
Sie heißen Hauhechel-Bläuling, Kleiner Feuerfalter oder Großes Ochsenauge:
Von insgesamt 17 untersuchten typischen Schmetterlingsarten sind in Europa
8 auf dem Rückzug. 6 weiteren Arten, darunter dem Mattscheckigen
Braun-Dickkopffalter, prophezeit die EU-Umweltagentur in ihrem aktuellen
Bericht eine „unsichere“ Entwicklung. Die Studie umfasst Daten von 1990 bis
2011, 19 europäische Länder beteiligten sich an der Untersuchung.
Verantwortlich für den Populationsrückgang sind den Wissenschaftlern
zufolge zwei Trends: Zum einen hat sich die Landwirtschaft in Europa in den
vergangenen Jahren stark verändert. So entstanden riesige eintönige
Ackerflächen, die den Schmetterlingen zu wenig Lebensraum bieten. Zudem
sterben viele Tiere an ausgebrachten Pestiziden.
Zum anderen beklagen die Forscher eine zunehmende Landflucht im Osten und
Süden Europas. Großzügige Grünflächen seien aufgegeben worden und mit der
Zeit zugewuchert. In einigen Regionen Nordwesteuropas bleiben den Faltern
so nur noch Grünstreifen an den Straßenrändern, an Bahnstrecken oder in den
Städten. „Europas Wiesen schrumpfen. Wenn wir es nicht schaffen, diese
Lebensräume zu erhalten, könnten wir viele Schmetterlingsarten für immer
verlieren“, warnt EUA-Direktor Hans Bruyninckx.
## Ohne Schmetterlinge und Bienen keine Bestäubung
Die Folgen für das Ökosystem wären fatal. Denn so wie die Bienen spielen
auch die Falter eine wichtige Rolle bei der Blütenbestäubung. Ein Drittel
der globalen Landwirtschaft ist gar von den Insekten abhängig. Darüber
hinaus sind die Falter ein Indikator für die Gesundheit der
Grünland-Ökosysteme. Anders gesagt: Geht der Schmetterlingsbestand zurück,
ist auch die Vielfalt anderer Arten bedroht.
Der EU-Kommission ist das Problem bekannt. Sie hofft, dass sich einige der
Arten nach der Reform der Landwirtschaftspolitik wieder erholen werden.
Schließlich müssen manche Bauern in Europa künftig mehr für die Umwelt tun,
um Subventionen zu erhalten. Die Mitgliedstaaten dürften Landwirte, die
sich um spezielle Schutzgebiete kümmern, besonders fördern, so ein Sprecher
von EU-Umweltkommissar Janez Potočnik. Inwiefern die Falter davon
tatsächlich profitieren, ist jedoch ungewiss.
In Großbritannien gibt es inzwischen mehr Schmetterlinge als vor einem
Jahr. 46.000 Menschen zählten beim Big Butterfly Count im Sommer besonders
Pfauenauge, Kleiner Fuchs und Kohlweißling tausende Male öfter als 2012 –
dem schlechtesten Schmetterlingsjahr seit vier Dekaden. Der Grund für den
Anstieg sei das für die Falter optimale Wetter, sagt Experte Richard Fox
von der Naturschutzorganisation Butterfly Conservation. „Dieser Sommer ist
ein Hoffnungsschimmer.“ Mehr aber auch nicht: Ein gutes Jahr sei nicht
genug, um den kontinuierlichen Schwund der Schmetterlinge aufzuhalten.
(Mitarbeit: Jakob Struller)
1 Oct 2013
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DIR Hanna Vauchelle
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