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       # taz.de -- Kommentar Realo-Durchmarsch: Grüne Umverteilung
       
       > Dass die Realos jetzt den Durchmarsch planen, ist nicht überraschend.
       > Doch es besteht die Gefahr, dass sie Trittins Fehler wiederholen – nur in
       > die andere Richtung.
       
   IMG Bild: Sicher ist im Moment nur: das Grün wird bleiben
       
       Das Wahlergebnis allein kann nicht der Grund für den fast kompletten Abriss
       der grünen Parteispitze sein. Gut 8 Prozent war kein gutes Resultat, aber
       auch nicht die Katastrophe, zu der sie von einigen stilisiert wird. Die
       Grünen waren auf Bundesebene nur in Umfragen in der Nähe einer Volkspartei,
       aber nie bei Wahlen.
       
       Im Wirtschaftsjargon würde man den kurzen Umfrage-Höhenflug auf 27 Prozent
       nach Fukushima und der Wahl in Baden-Württemberg wohl als Spekulationsblase
       bezeichnen.
       
       Die Opfer dieser Katastrophen-Erzählung sind Claudia Roth, Jürgen Trittin
       und Renate Künast. Die alteingesessene Führungsriege ist innerhalb von
       wenigen Stunden abgetreten. Sie waren aktuelles Spitzenpersonal und
       Gründungsgeneration in einem; mit allen Irrungen und Wirrungen. Sie haben
       über Jahrzehnte die Geschichte der Grünen geprägt. 2005 saßen sie den
       unrühmlichen Abschied des westdeutschen Übervaters der Partei, Joschka
       Fischer, einfach aus.
       
       Trittins Abgang kommt nicht gänzlich überraschend. Schon lange vor der Wahl
       am Sonntag formierte sich der Widerstand, vor allem gegen ihn, den
       Machtmenschen. Mögliche Nachfolger wurden für Insider erkennbar ins Spiel
       gebracht. Der Grund: Viele mittlerweile gar nicht mehr so junge
       Grüne-Politiker hatten es satt, dass an der Fraktionsspitze vier weitere
       Jahre der Altgediente sitzen sollte.
       
       Die Generation von Trittin, Roth und Künast hat den Generationswechsel
       blockiert. Dieser Fehler rächt sich jetzt. Aber dieser Bruch ist mehr als
       ein etwas rüder Aufstand der Jüngeren gegen die Etablierten. Er hat
       durchaus auch politische Gründe: Gescheitert ist ja auch die Fixierung auf
       Rot-Grün. Was fehlte, war eine Machtoption.
       
       ## Links an der SPD vorbei
       
       Opposition ist eben auch für viele Grüne Mist. Lag es wirklich an den
       Steuerplänen? Die hat zwar die gesamte Partei beschlossen. Aber es war der
       Finanzexperte Jürgen Trittin, der die SPD links überholen wollte.
       
       Trittin hat damit die Zukunft der Grünen fast unlösbar mit der SPD
       verknüpft. Und die wiederum hat durch ihr Nein zu Rot-Rot-Grün jede
       realistische Regierungschance verbaut – jedenfalls bisher. Auch deshalb
       werden neue Perspektiven gebraucht.
       
       Dass die Realos nun den Durchmarsch versuchen, ist nicht überraschend. Es
       ist ja verlockend, die kräftezehrenden Grabenkämpfe beenden zu wollen und
       sich nun wieder auf das grüne Kernthema, Energie und Umwelt, zu
       beschränken. Nach dem Ausflug nach links also wieder zurück in die Mitte?
       
       ## Koalitionsfähig machen auch nach rechts
       
       Wenn der linke Flügel erst richtig gestutzt ist, dann werden die Grünen
       anschlussfähig an das bürgerliche Lager: Das mag das Kalkül sein, um bei
       kommenden Wahlen endlich realistische Regierungsoptionen zu haben.
       
       Dahinter stecken berechtigte strategische Überlegungen, die genau abgewogen
       werden müssen. Aber solche grundsätzlichen Fragen eignen sich nicht, um im
       Hau-ruck-Verfahren beantwortet zu werden.
       
       Die soziale Frage kann angesichts der ungelösten Krise an den Finanzmärkten
       ganz schnell wieder auf der Tagesordnung stehen. Falls die Grünen nun ihren
       linken Flügel komplett amputieren, laufen sie Gefahr, Trittins Fehler zu
       wiederholen – nur in die andere Richtung.
       
       24 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ines Pohl
       
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