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       # taz.de -- Button zum Entfernen von Webinhalten: Lösch mich, Internet!
       
       > Ein „Radier-Button“ soll Jugendliche aus Kalifornien im Internet vor sich
       > selbst schützen. Ist das die Lösung für peinliche Daten im Netz?
       
   IMG Bild: Kann Elektroschrott gelöscht werden? Die Feuerwehr in Goslar versucht's.
       
       BERLIN taz | Ergooglebare Jugendsünden wieder löschen. In Kalifornien soll
       das jetzt möglich sein – zumindest für Minderjährige. Der US-Bundesstaat
       hat dazu ein neues Gesetz geschaffen, [1][SB568]. Es verpflichtet
       Webseitenbetreiber dazu, eine Löschfunktion für unter 18-Jährige
       einzurichten.
       
       Wird der Button geklickt, muss der Anbieter die Nutzerdaten enfernen. Die
       Button-Pflicht gilt für Webseiten, Apps und Internetangebote, die
       personenrelevante Daten von Besuchern aus Kalifornien sammeln. Ab 2015
       greift das Gesetz. Klick und weg.
       
       „Alle von uns – besonders Kinder – sollten in der Lage sein, zu löschen,
       was wir im Internet schreiben“, schrieb Jim Steyer, Vater von vier Kindern,
       in [2][einem Brief an den kalifornischen Gouverneur]. Ein ähnlicher
       Gesetzesentwurf wurde in den USA schon 2011 dem Repräsentantenhaus
       vorgelegt. Der [3][Do Not Track Kids Act] wurde im Gremium aber abgelehnt.
       Ist der Button sinnvoll?
       
       Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix sagt: „Ich würde nicht
       sagen, der Button ist sinnlos, aber man sollte den Leuten keine falschen
       Hoffnungen machen.“ Ein Problem sieht Dix bei der Datenerhebung. „Der
       Anbieter muss das Wissen darüber haben, dass es sich um Daten einer Person
       handelt, die minderjährig ist und außerdem in Kalifornien lebt. Diese
       Informationen muss er schon zuverlässig haben oder er müsste sie erst noch
       erheben. Das ist eine praktische Schwierigkeit.“
       
       Daten aus dem Internet zu löschen, diese Idee ist nicht neu. [4][Viktor
       Mayer-Schönberger schrieb 2007] von einem Recht, vergessen zu werden („The
       Right to be forgotten“). Der Europäischen Kommission gefiel diese Idee
       eines virtuellen Radiergummis. Am 25. Januar 2012 präsentierte
       Vizepräsidentin Viviane Reding den Entwurf für eine Datenschutzverordnung,
       mit dem „[5][Recht auf Vergessen werden]“. Die Grundlage des
       Reformvorschlags ist ein schon bestehendes Recht: Die Löschung
       personenbezogener Daten zu verlangen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden.
       
       ## Hallo, bitte entfernen!
       
       Denn das können zumindest Nutzer in Deutschland schon machen: den Anbieter
       einer Plattform kontaktieren. Per Gesetz ist es möglich, die Löschung zu
       fordern. [6][Grundlage ist das Bundesdatenschutzgesetz]. „Man muss nur
       sagen: Ich möchte, dass es gelöscht wird. Die Daten sind auf freiwilliger
       Basis ins Netz gestellt worden. Wenn man da nicht einverstanden ist, kann
       man die Löschung verlangen.“ Das gelte für alles, außer der Betreiber
       brauche die Daten für Dienstleistungen oder sie seien Teil eines Vertrags.
       
       Die EU-Agentur für Informationssicherheit (Enisa) hat die [7][technischen
       Umsetzung des „Recht auf Vergessen werden“] geprüft. Und festgestellt:
       „Eine rein technische Lösung zur Umsetzung des Rechts im Internet ist
       unmöglich.“ Warum?
       
       Ist es überhaupt möglich, Daten von Servern zu löschen, wenn diese in der
       ganzen Welt verstreut sind? Alexander Dix sagt dazu: „Der Betreiber ist
       dafür verantwortlich, welche Daten er in seinem Angebot hält. Und wenn er
       selber nicht die Server überwacht, dann muss er die Anweisung erteilen,
       dass die Dinge auf dem Server gelöscht werden. Im Prinzip geht es, die
       Daten nachzuverfolgen – aber nur soweit der Betreiber seine Seite auf
       bestimmten Server hosten lässt, mit technischer Unterstützung dieser
       Dritten.“
       
       ## Copy & Paste
       
       Aber: Das Internet ist eine riesige Kopierwelt. „Dass andere etwas ins Netz
       stellen, die Daten kopiert und im Internet veröffentlicht werden, dass sie
       gespiegelt werden, all das lässt sich nicht verhindern.“
       
       Können peinliche Daten mit einem Klick gelöscht werden? Ja. Aber die volle
       Kontrolle über eigene Inhalte im Web gibt es nicht. Angaben von Dritten
       kann man nicht auf Knopfdruck löschen. Der Anbieter kann auch nicht den
       Inhalt entfernen, der von Dritten erneut verteilt wurde, wie ein auf
       anderen Webseite geteilter Text, eine auf anderen Festplatten schon
       gespeicherte Datei, die wieder ins Internet gestellt wird.
       
       Und es gibt ganze Kopien von Webseiten im Netz. Google beispielsweise
       erstellt Schnappschüsse von Internetseiten. Zur Serverentlastung werden die
       Inhalte dann im sogenannten Google Cache gespeichert, damit der Server die
       Daten nicht in Echtzeit auf aktuelle Inhalte durchsuchen muss.
       [8][//support.google.com/websearch/answer/1687222?hl=de&p=cached:Diese
       Schnappschuss-Version kann jeder eingesehen.] Der Inhalt wird aktualisiert,
       in Abständen zwischen ein und vier Wochen. Je höher die Aktualisierungsrate
       der Seite, desto häufiger aktualisiert auch Google die Schnappschüsse. Soll
       aber der von Google gespeicherte Inhalt gelöscht werden, muss der
       Webseitenbetreiber dies bei Google beantragen.
       
       Es gibt auch das [9][Internetarchiv archive.org]. Es speichert Inhalte
       nicht für Tage, sondern viele Jahre lang. Die Alt-Version einer Webseite
       ist dadurch einsehbar – auch, wenn die Dateien längst gelöscht sind. Ein
       sogenannter „Crawler“ durchforstet im monatlichen Abstand das Web und
       speichert Seiten, auf die im Web oft verlinkt wird. Auch hier liegt es am
       Webseitenbetreiber, die kopierte Seite aus dem Archiv löschen zu lassen.
       Inhalte auf Webseiten anderer lassen sich aus der „Wayback Machine“
       („Zeit-Zurück-Maschine“) nur auf Antrag von den Betreibern löschen.
       
       „Es ist eine Illusion zu meinen, man kann Informationen weltweit wieder aus
       dem Netz entfernen“, sagt Dix. „Einen Löschbefehl kann man eingeben, nur
       das Internet ist dynamisch. Leute kopieren, laden Inhalte herunter auf den
       eigenen Computer. Das ist nicht zu kontrollieren.“
       
       3 Oct 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://leginfo.legislature.ca.gov/faces/billNavClient.xhtml?bill_id=201320140SB568
   DIR [2] http://www.commonsensemedia.org/blog/why-kids-need-an-eraser-button
   DIR [3] http://www.govtrack.us/congress/bills/112/hr1895
   DIR [4] http://www.google.de/url?sa=t
   DIR [5] http://ec.europa.eu/justice/newsroom/data-protection/news/121207_de.htm
   DIR [6] http://www.gesetze-im-internet.de/bdsg_1990/BJNR029550990.html#BJNR029550990BJNG000401301
   DIR [7] http://www.enisa.europa.eu/activities/identity-and-trust/library/deliverables/the-right-to-be-forgotten
   DIR [8] http://https
   DIR [9] http://archive.org/web/web.php
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Neumann
       
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