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       # taz.de -- Adenauer-Ergebnis für Merkel: Mutti macht's
       
       > Die Kanzlerin hat ihr bestes Wahlergebnis erreicht. Ihr Wahlkampf ging
       > voll auf. Angela Merkel macht die Raute, der Applaus nimmt kein Ende.
       
   IMG Bild: Honigkuchenpferd.
       
       BERLIN taz | Sie hat auf ganzer Linie gewonnen. Angela Merkel hat für die
       Union knapp 42 Prozent der Stimmen geholt, eine Verbesserung von neun
       Prozentpunkten gegenüber 2009. „Angie, Angie, Angie“, brandet es durchs
       Adenauer-Haus, der Applaus will kein Ende nehmen an diesem Abend. Eine
       glückliche Kanzlerin macht die Raute und bedankt sich bei allen, sogar bei
       ihrem Mann, „der dort an der Seite steht“ und applaudiert.
       
       „Das ist ein Super-Ergebnis! Wir habens toll gemacht!“, ruft sie. Und: „Wir
       haben es gezeigt: Die Unionsparteien sind Volksparteien!“ Vorher hatte es
       niemand auf dem Schirm, am Wahlabend war es aber im Bereich des Möglichen:
       eine absolute Mehrheit für die Union im Bundestag. Ein Adenauer-Ergebnis.
       Durchregieren. Der absolute Triumph für Merkel.
       
       Unions-Fraktionschef Volker Kauder kommentierte noch vorsichtig: „40 plus
       hat man ja für eine Volkspartei schon gar nicht mehr für möglich gehalten“,
       sagte er. „Wir haben einen klaren Auftrag der Wähler, die Regierung zu
       bilden.“ Generalsekretär Hermann Gröhe sprach vom besten Ergebnis seit über
       20 Jahren. Koalitionsfragen würden erst am Montagmorgen besprochen.
       
       Die Union kann strahlen, die Koalitionsfrage kann sie lässig behandeln. Mal
       sehen, ob wir euch überhaupt brauchen. Falls es nicht für eine absolute
       Mehrheit reichen sollte, ist doch noch Schwarz-Grün möglich, aber
       unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist eine Große Koalition. Auch das ist
       eine Konstellation, die Merkel wenig Angst machen muss. Aus der letzten
       Großen Koalition ging sie erstarkt hervor, die Zusammenarbeit mit der SPD
       klappte nicht schlecht.
       
       Es wäre die heimliche Wunschkoalition aller, die realistischerweise
       Rot-Grün als utopisch ansahen und unter Schwarz-Gelb so gelitten haben,
       dass sie alles andere besser finden. Viel wurde auch zuvor über die
       Ähnlichkeit der Wahlprogramme geschrieben. Die SPD will einen Mindestlohn,
       die CDU Lohnuntergrenzen, die SPD eine Mindestrente, die CDU eine
       Lebensleistungsrente, die SPD eine Mietpreisbremse, die Union kurze Zeit
       später auch. Der Teufel aber wird im Detail stecken: Die Union hat ihr
       Programm ja nicht gemacht, um der SPD zu gefallen, sondern weil sie deren
       WählerInnen einkassieren wollte.
       
       ## Die wirtschaftsfreundlichste Variante
       
       In einer schwarz-roten Regierung könnte es deshalb gehörig knirschen. Die
       Union würde von allen sozialen Vorhaben die jeweils
       wirtschaftsfreundlichste Variante vertreten. Die SPD, aus Angst, in einem
       undefinierbaren Gemenge mit der Union zu verschwinden und gar nicht mehr
       sichtbar zu sein, würde dagegen auf ihre linken Projekte pochen. Und dann
       gibt es ja auch noch Horst Seehofer. Der hat mit der
       Maut-für-Ausländer-Forderung schon einen kleinen Vorgeschmack auf weitere
       Verhandlungen mit ihm gegeben.
       
       Unbequem vielleicht, aber keinesfalls gefährlich ist die Große Koalition
       für Angela Merkel persönlich. Die Elefantenhochzeit entspricht exakt ihrer
       präsidialen Selbstinszenierung. Der stärkere Partner gewinnt in so einer
       Ehe, der schwächere verliert: wie überaus praktisch.
       
       Die Chance, dass es doch noch klappen könnte mit Schwarz-Gelb, schwand am
       Abend zusehends. Angela Merkel muss sich wohl von ihrer angeblichen
       Wunschkoalition verabschieden. So richtig glauben mochte man ihr das mit
       dem Wunsch ohnehin nicht mehr. Zu sehr hat die FDP die Ziele der Union
       torpediert: Sie war gegen die Mindestrente, die Lohnuntergrenzen, die
       Frauenquote, Mietpreisgrenzen – immer mehr hat sich da im CDU-Wahlprogramm
       angesammelt, das mit der FDP nicht realisierbar wäre.
       
       ## Sozialdemokratie mit eingebautem Christentum
       
       Links blinken – dieses Konzept ist für Merkel voll aufgegangen. Das Gerede
       einiger Prominenter, dass es zwischen den großen Parteien ja kaum mehr
       Unterschiede gebe, hat der Amtsinhaberin genutzt. Die CDU ist so eine Art
       Sozialdemokratie mit eingebautem Christentum und damit für sehr viele
       wählbar. Was die Union nun tatsächlich ist, könnten wir bald erleben.
       
       Die Primadonna assoluta ist Angela Merkel. Sie hat ein Regierungsrezept
       gefunden, nach dem sie auch in Zukunft weiterkochen kann – denn den
       Wählenden hat es hervorragend geschmeckt. Sie haben die Vorbehalte
       gegenüber der Frau aus dem Osten abgelegt, die ihr bei ihrer ersten Wahl im
       Jahr 2005 noch einen überraschenden Einbruch gegenüber den Umfragen erlebt
       hatte. Angela Merkel konnte die Vorurteile gegen sie langsam, aber sicher
       abschleifen und sich hocharbeiten zur Königin der Herzen.
       
       Dies schafft sie vor allem, indem sie Klischees unterläuft. Sie hat sich
       als neuer Typ Frau präsentiert, die das Beste aus beiden Geschlechterwelten
       verbindet. Kein Gegockel, sondern Sachlichkeit und ruhige Moderation. Das
       wurde ihr als neu und weiblich ausgelegt. Zugleich ist sie so nüchtern
       analysierend, wie die Männer es gern wären, aber meistens nicht sind. Die
       Physikerin ist bei ihren BiografInnen zum Hauptinterpretationsmerkmal
       geworden, Erhaltungssätze und anderes Halb- bis gar nicht Verstandene
       schmücken die Beobachtungen.
       
       Zum einen ist eine Frau in der Physik im Westen eine Ausnahmeerscheinung,
       zum anderen schreiben vor allem GeisteswissenschaftlerInnen über sie. Für
       die aber ist Physik letztlich eine männliche Geheimwissenschaft, die Angela
       Merkel besondere Kräfte verleiht und zur Ausnahmefrau macht. Und wenn
       dieselbe Frau dann auch noch im Supermarkt um die Ecke einkauft und zu
       wenig Streusel auf die Streuselkuchen streut – wer kann da noch
       widerstehen? Mutti macht's.
       
       Dieser Artikel wurde um 21.00 Uhr letztmalig aktualisiert. Die aktuellen
       Hochrechnungen entnehmen Sie bitte unserem [1][Live-Ticker].
       
       22 Sep 2013
       
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