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       # taz.de -- Bergung der „Costa Concordia“: Europa wird nicht untergehen
       
       > Die Bergung des havarierten Kreuzfahrtschiffs ist geglückt. Die Euphorie
       > darüber taugt als Metapher für die Euro-Krise: Schlagseite ja, aufgeben
       > nein.
       
   IMG Bild: Endlich mal wieder ein europäisches Großprojekt gelungen: was von der Concordia übrig blieb, liegt wieder aufrecht.
       
       Bravissimi-Rufe sollen also zum glücklichen Ende der 19-stündigen Aktion
       auf Giglio schließlich erklungen sein, die Sektkorken knallten. Ein
       bisschen seltsam ist es ja schon, das Spektakel rund um das im Januar 2012
       havarierte Kreuzfahrtschiff Costa Concordia. Auf den großen
       Nachrichtenportalen im Netz wurde die Bergung des Wracks mit den
       obligatorischen Live-Tickern begleitet, sie war mehreren Nachrichtenseiten
       den Aufmacher wert. In Zeitraffer-Videos und Bildergalerien kann man den
       Vorgang jetzt in jeder beliebigen Geschwindigkeit nachverfolgen.
       
       Vor Ort in Italien herrschte eine Jubel-Stimmung zwischen Fußball-Finale
       und Silvester. Und kaum lag der Pott wieder aufrecht im Wasser, folgten die
       Berichte über seinen Zustand. Es „wirkt verzogen“, meldete die „Welt“, der
       „Rumpf ist tief eingedrückt“, berichtet Spiegel-online, außerdem sei er
       „schlammverkrustet“, kurz: Das Ding ist kaputt. Überraschung.
       
       Wohin das Wrack nun zur fachgerechten Demontage überhaupt hingeschleppt
       werden soll, ist übrigens noch unklar. Das sogenannte Parbucking bei einem
       so großen Schiff mag eine ingenieurstechnische Meisterleistung sein, den
       Einwohnern von Giglio ist die Freude zu gönnen, dass sie bald wieder
       ungestörten Meerblick genießen können, und dass es offenbar, bislang
       zumindest, zu keiner Umweltkatastrophe gekommen ist, ist eine
       Erleichterung.
       
       Trotzdem stehen die Bedeutung des Ereignisses und seine Rezeption in keinem
       erkennbaren Zusammenhang. So war es ja auch schon vor 20 Monaten, als das
       Schiff umkippte. 32 Tote, das ist ja eigentlich eine nur sehr mäßige
       Wochenendbilanz an Ertrunkenen im Mittelmeer. Für deren Bergung dann
       üblicherweise allerdings auch kein Geld ausgegeben wird, während das
       Aufrichten der Costa Concordia mit etwa 600 Millionen Euro zu Buche
       schlagen wird.
       
       ## Euphorie: Es geht also doch!
       
       Aber mit moralinen Bedenken wollen wir nun andererseits auch nicht die
       Feierlaune trüben. Immerhin ist in Europa endlich mal wieder ein
       Großprojekt richtig gut gelungen, „optimal“ und „perfekt“ gar, wie man
       nicht müde wurde zu versichern. Es geht also doch! Und darin liegt durchaus
       etwas Metaphorisches.
       
       Vielleicht erklärt sich so die Euphorie, die dem maladen Dampfer plötzlich
       entgegengebracht wird. Gut, wir haben ihn vor die Wand beziehungsweise eben
       auf einen Felsen gefahren, er hat Schlagseite bekommen und ist umgefallen,
       aber mit unseren Top-Experten richten wir ihn nun wieder auf, um das
       verunfallte Großprojekt irgendwo fachgerecht zu entsorgen.
       
       Kann man das nicht als hoffnungsvolles Bild für die gesamte Krise Europas
       sehen? Für den Euro? Klar, ein paar gehen halt über Bord, aber schließlich
       liegt der lädierte Kahn dann eben doch wieder aufrecht im Wasser. Und am
       Ende verdienen die Deutschen noch kräftig dran – jedenfalls war es eine
       deutsche Firma, die die technische Planung der Concordia-Bergung
       ausgearbeitet hat. Passt doch.
       
       Vielleicht macht das Beispiel ja auch Schule. Denken wir doch nur mal an
       Stuttgart 21. Oder den Berliner Fast-Flughafen BER. Beide Großprojekte
       liegen derzeit ähnlich malerisch auf Grund wie bis gestern die Costa
       Concordia, wahrscheinlich stehen sie sich sowohl in der Zahl der
       schadhaften Stellen als auch im Moder, der sich darüber gelegt hat,
       letztlich in nichts nach.
       
       Die zuständigen Kapitäne von Mappus über Wowereit bis Platzeck haben sich
       ähnlich ehrenhaft von Bord geschlichen wie einst ihr Bruder im Geiste,
       Francesco Schettino – sie bald ebenfalls vor Gericht zu sehen, wäre eine
       keineswegs reizlose Vorstellung. Jetzt fehlt nur noch das internationale
       Techniker-Team, das diese unseligen Mahnmale des Größenwahns und
       fehlgeleiteter Steuerung dann Stück für Stück demontiert und fachgerecht
       entsorgt. Bravissimi-Rufe wären ihnen gewiss.
       
       17 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heiko Werning
       
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