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       # taz.de -- Senat übt Vorsicht im Heimskandal: Hamburg statt Haasenburg
       
       > Obwohl der Brandenburger Heimträger wieder Kinder aufnehmen darf, schickt
       > Hamburg vorerst keine hin. Erst soll die neue Aufsichtskommission
       > berichten.
       
   IMG Bild: Noch nicht von der Hamburger Heimkommission besichtigt: das Haus Babenberg der Haasenburg GmbH im brandenburgischen Jessern.
       
       HAMBURG taz | Der Hamburger Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hat erklärt,
       dass die Stadt vorerst noch nicht wieder Kinder in die Heime der
       umstrittenen Brandenburger Haasenburg GmbH schickt. Über diese Frage werde
       erst entschieden, wenn die neue Hamburger Aufsichtskommission für
       geschlossene Unterbringung die Einrichtung besucht und einen Bericht
       vorgelegt habe, teilt seine Sprecherin Nicole Serocka mit.
       
       Das Land Brandenburg hatte einen Belegungsstopp für die drei Heime
       verhängt, nachdem die taz über Misshandlungsvorwürfe berichtet hatte. Seit
       dem 1. September ist es einem Heim, dem Haus Neuendorf, wieder erlaubt,
       neue Kinder und Jugendliche aufzunehmen. Einer der größten Nutzer der
       Einrichtung war seit Jahren Hamburg.
       
       ## Noch kein Besuchstermin
       
       Doch bis die dortige Sozialbehörde eine Entscheidungsgrundlage hat, kann es
       ein paar Wochen dauern, wenn nicht sogar Monate. Wie aus dem Umfeld der
       Kommission zu hören ist, gibt es für den Besuch der Hamburger in den
       brandenburgischen Heimen noch nicht mal einen Termin. Auch war die
       Vorgänger-Kommission, die von 2004 bis 2008 für die Kontrolle des
       inzwischen geschlossenen Heims in der Hamburger Feuerbergstraße eingesetzt
       worden war, in wichtigen Fragen gar nicht einig geworden. „Oft gab es
       mehrere Voten“, erinnert sich ihr früherer Vorsitzender Michael Lindenberg.
       
       Auch das nun für die Haasenburg von Scheele wiederbelebte Gremium, das der
       Flensburger Diplompsychologe Ulrich Kruse leitet, ist kontrovers besetzt.
       Ihm gehören neben Diakonie-Jugendhilfereferent Martin Apitzsch die
       Amtsrichterin Monika Schorn, der Kriminologe Bernhard Villmow und der
       Jugendpsychiater Frank Wistuba an. Außerdem hat Christa Töwe, die Leiterin
       des Referats Jugenddelinquenz in der Sozialbehörde, in der Kommission eine
       beratende Stimme. Ihr war schon Ende Juli in einer Sondersitzung des
       Familienausschusses die Aufgabe zugefallen, das autoritäre Konzept der
       Haasenburg zu verteidigen.
       
       Hinzu kommt, dass die Bedingungen, unter denen die Kommission arbeiten
       darf, umstritten sind. Damit sie außerhalb der Landesgrenzen tätig sein
       kann, wurde eigens eine Vereinbarung mit der Haasenburg GmbH getroffen. Nun
       sind ihr unangemeldete Besuche zwar erlaubt, allerdings müssen diese zuvor
       mit dem brandenburgischen Landesjugendamt, den Jugendämtern und der
       brandenburgischen „Besuchskommission“ abgesprochen werden. Und die
       brandenburgische Heimaufsicht soll sie gar begleiten.
       
       ## Samtene Kontrolle
       
       Die grüne Jugendpolitikerin Christiane Blömeke findet diese Regelung
       absurd: „Wenn vorher vier verschiedene Stellen in das Vorhaben der
       Hamburger Aufsichtskommission involviert werden, dann kommt am Ende mit
       Sicherheit kein unangekündigter Besuch in der Haasenburg zustande.“ So
       könne die Aufsichtskommission ihre Kontrollfunktion nicht wahrnehmen. Auch
       gebe es im Hamburger Landesgesetz zur Aufsichtskommission derartige
       Vorschriften für Absprachen nicht. „Ich kann nicht verstehen, warum der
       Senat die Haasenburg immer wieder mit Samthandschuhen anfasst, anstatt für
       echte Kontrolle zu sorgen.“
       
       Der Hamburger Senat, der von 2008 bis heute 52 Kinder in die insgesamt drei
       Heime schickte und noch immer vier Kinder dort untergebracht hat, hält
       bislang an der Haasenburg fest. Als es im Juli Kritik daran gab, dass nicht
       alle Kinder aus den Heimen zurückgeholt werden, erklärte Senator Scheele,
       aus jüngerer Zeit gebe es keine Misshandlungsvorwürfe, die Hamburger Kinder
       betreffen. Dabei war auch ein Junge aus Hamburg aus dem Heim geflüchtet und
       hatte anderes berichtet.
       
       Inzwischen hat die Opposition aus FDP, CDU, Grünen und Linken in der
       Hamburger Bürgerschaft die Vorlage aller Akten durchgesetzt. Schon vorher
       gab der Senat im Familienausschuss zu Protokoll, von 56 „Interventionen“ zu
       wissen. So gingen in den Jahren 2008 bis 2013 bei den Jugendämtern
       Meldungen aus der Haasenburg ein, über „Anti-Aggressionsmaßnahmen“,
       „Verhaltensunterbrechungen“ oder „körperliche Begrenzung“. „Diese stellen
       nach den derzeit vorliegenden Informationen keine Misshandlungen dar“,
       schreibt Sprecherin Serocka.
       
       ## Anzeigen aus Hamburg
       
       Allerdings haben nach taz-Informationen inzwischen ehemalige Bewohner und
       deren Eltern aus Hamburg Strafanzeigen gegen das Heim gestellt, unter
       anderem wegen Körperverletzung. Gefragt, ob die Stadt davon Kenntnis hat
       und ob dies ein Grund wäre, die Entscheidung über die Wiederbelegung der
       Haasenburg aufzuschieben, antwortet die Sozialbehörde mit „ja“ – und
       verweist auf die Aufsichtskommission, auf deren Bericht man warten wolle.
       
       10 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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