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       # taz.de -- Syrische Flüchtlinge in Deutschland: Wettbewerb der Barmherzigkeit
       
       > Schöne Bilder von Politikern mit Kindern nicht ausgeschlossen: Die ersten
       > syrischen Flüchtlinge landen in Hannover.
       
   IMG Bild: Die meisten Syrer sind in Nachbarländer geflohen – so wie dieser Junge im Libanon
       
       BERLIN taz | Am Mittwoch werden etwa 110 der 5.000 Flüchtlinge aus Syrien,
       deren Aufnahme Deutschland im Frühjahr zugesagt hat, per Charterflug aus
       dem Libanon in Hannover ankommen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich
       (CSU) und Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) werden sie am
       Mittwoch auf dem Flughafen empfangen. Nicht auszuschließen, dass es schöne
       Bilder von Politikern mit Kindern geben wird.
       
       Denn mitten im Wahlkampf ist plötzlich ein Wettbewerb der Barmherzigkeit
       entbrannt. In allen Parteien werden die Stimmen lauter, die fordern,
       angesichts der Tragödie in Syrien mehr Flüchtlinge von dort aufzunehmen.
       
       Am Montag tat sich Katrin Göring-Eckardt, Spitzenkandidatin der Grünen, mit
       dem Satz hervor, Deutschland solle bereit sein, „nicht nur 5.000, sondern
       das Zehnfache aus Syrien aufzunehmen“, so Göring-Eckardt. „Das ist ungefähr
       das, was man hat, wenn man den Familiennachzug zunächst einmal ermöglicht“,
       sagte sie. Auch CDU-Fraktionschef Volker Kauder, die FDP und die
       katholische Kirche mahnten mehr Hilfe an.
       
       Zwei Millionen Syrer sind vor dem Bürgerkrieg aus ihrer Heimat geflohen –
       die meisten in die Nachbarländer Türkei, Libanon und Jordanien. Nur etwa
       45.000 davon haben seit März 2011 in Europa einen Antrag auf Asyl gestellt,
       davon rund je ein Drittel in Deutschland und in Schweden.
       Bundesinnenminister Friedrich fordert deshalb eine europäische
       Flüchtlingskonferenz, um die Aufgaben gerechter zu verteilen.
       
       ## Familien mit kleinen Kindern bevorzugt
       
       „17.000 Syrer haben bei uns in Deutschland bereits Zuflucht gefunden“,
       rechnete jetzt Außenminister Westerwelle (FDP) vor, die zugesagten 5.000
       Kontingentflüchtlinge kämen noch dazu. Denn viele Syrer sind inzwischen auf
       eigene Faust nach Deutschland gekommen. Allein im August haben mehr als
       1.000 Menschen aus Syrien hierzulande Asyl beantragt – fast so viele wie
       aus Serbien und Russland.
       
       Die Flüchtlinge, die heute in Hannover ankommen, werden zunächst ins
       Übergangslager Friedland bei Göttingen gebracht. Nach 14 Tagen werden sie
       von dort über das Bundesgebiet verteilt. Nordrhein-Westfalen wird mit 1.060
       Flüchtlingen die meisten aufnehmen, gefolgt von Bayern und
       Baden-Württemberg. Ausgesucht wurden sie vom Flüchtlingshilfswerk UNHCR im
       Libanon – „nach den gängigen Kriterien“, so UNHCR-Sprecher Stefan Töleken
       zur taz, das heißt: Familien mit kleinen Kindern, kranke Menschen und
       Angehörige religiöser Minderheiten wurden bevorzugt.
       
       In Deutschland erhalten sie jetzt eine Arbeitsgenehmigung und das Anrecht
       auf Hartz-IV-Leistungen, sie müssen auch kein Asylverfahren durchlaufen.
       „Es ist aber kein Niederlassungsprogramm, sondern auf zwei Jahre begrenzt“,
       betont Töleken. Wenn sich die Situation in Syrien aber nicht verbessere,
       werde es eventuell verlängert.
       
       ## Unterkunft und Krankenversicherung
       
       Einige Bundesländer sind bereit, darüber hinaus weitere Flüchtlinge
       aufzunehmen, die in Deutschland Familie haben. Nordrhein-Westfalen möchte
       1.000 und Baden-Württemberg 500 weitere Syrer aufnehmen. Deren Verwandte
       müssen zuvor erklären, dass sie für die Neuankömmlinge alle Kosten
       übernehmen, von der Unterkunft bis zur Krankenversicherung. Andere Länder
       wie Bayern wollen keine Zahlen nennen, signalisieren „aber die
       Bereitschaft, im Einzelfall über das Kontingent von 750 Flüchtlingen hinaus
       weitere Personen aus Syrien aufzunehmen“, sagte der bayrische Innenminister
       Joachim Hermann der taz.
       
       Für Günter Burkhardt von Pro Asyl noch kein Grund zur Freude: „Es leben
       alleine 45.000 Syrer in Deutschland, von denen die meisten noch Verwandte
       in Syrien haben“, kritisierte er gegenüber der taz. Diese sollten als Erste
       einreisen dürfen. „Es kann nicht sein, dass syrische Flüchtlinge mit
       Verwandtschaft in Deutschland in Griechenland im Flüchtlingslager sitzen
       und nicht zu ihrer Familie kommen dürfen.“ Das Visa-Verfahren sei noch
       immer viel zu kompliziert.
       
       Auch Ulla Jelpke von der Linkspartei warnt davor, „jetzt mit großen Zahlen
       Effekthascherei zu betreiben“. Erst einmal müssten die Grenzen zur Türkei
       für syrische Flüchtlinge geöffnet werden, „damit die Menschen ohne
       Lebensgefahr in die EU gelangen können“.
       
       Mitarbeit: S. Riedel, L. Schnell
       
       11 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Bax
       
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