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       # taz.de -- Nach dem TV-Duell: Suche nach dem Swing
       
       > Das TV-Duell zwischen Peer Steinbrück und Angela Merkel hat viele
       > Menschen für Politik interessiert. Und es hat für Rot-Grün einen Moment
       > der Offenheit erzeugt.
       
   IMG Bild: Peer Steinbrück tanzte schon 2008 mit Merkel. Ach ne, das ist Boxerin Regina Halmich. Passt.
       
       BERLIN taz | Eigentlich wäre doch mal ein bisschen Euphorie angebracht so
       aus rot-grüner Sicht. Steinbrück hat das TV-Duell intellektuell gewonnen,
       zu diesem Schluss können auch Leute kommen, die keine größeren Sympathien
       für die Sozialdemokratie hegen. Er hat seine Inhalte präziser erklärt als
       Angela Merkel, er war schlagfertig und angriffslustig, ohne in die Falle zu
       tappen, mit Brachialkritik an der knuffig-netten Kanzlerin unsympathisch zu
       wirken.
       
       Frage also an Sigmar Gabriel, SPD-Chef, bei der Deutungspressekonferenz im
       Willy-Brandt-Haus am Montagmittag: Ist das Duell der Wendepunkt in dem
       bisher sanft dahinplätschernden Wahlkampf? Findet die SPD jetzt endlich
       ihren Swing? „Das Duell trägt dazu bei, die Aufmerksamkeit für diesen
       Wahlkampf enorm zu steigern“, antwortet Gabriel. „Und das ist gut für SPD
       und Grüne.“
       
       Zwei dürre Sätze, mehr nicht. Mehr fällt dem SPD-Vorsitzenden nicht ein zu
       einer Frage, die als Einladung zum analytischen Eigenlob gemeint ist.
       Seltsam gedämpft klingt das, sehr verkopft, in jedem Fall aber nicht:
       euphorisch. Was ist da los? Was bewirkt dieses TV-Duell eigentlich aus
       Sicht der Parteien, die ja lautstark den Politikwechsel propagieren?
       
       Machen wir uns also auf die Suche nach dem Swing bei Rot-Grün. Mit diesem
       neudeutschen Begriff – nein, er hat nichts mit Dixieland oder dem Tanz zu
       tun – bezeichnen Wahlkampfstrategen, wenn ein Kandidat und seine Partei
       einen Lauf haben.
       
       Wenn sich eins glücklich zum anderen fügt, wenn die Basis an den Sieg
       glaubt, wenn Umfragewerte steigen, wenn also eine Regierungsübernahme
       machbar erscheint. Bisher swingt nur Merkel auf dem bundesrepublikanischen
       Parkett, geradezu beängstigend trittsicher, aber das Duell wurde von
       rot-grünen Strategen im Vorfeld als wichtige Wegmarke beschrieben.
       
       In der Tat hat Steinbrück am Sonntagabend gepunktet. Ihm beim
       Schlagabtausch mit der Kanzlerin zuzuschauen, das hat oft richtig Spaß
       gemacht. Meine Güte, endlich redet mal einer pointiert über Inhalte.
       
       Endlich nimmt mal jemand Merkel ihren Nimbus der Unangreifbaren, zumindest
       für 90 Minuten. Endlich benennt mal jemand scharf die vielen Dissense, die
       es zwischen dem schwarz-gelben und dem rot-grünen Lager gibt, trotz der
       ständigen Rede von Merkels Sozialdemokratisierung.
       
       ## Ein echter Erfolg
       
       Viele Zuschauer empfanden diese Klarheit als angenehm. In den Umfragen
       sehen sie mal Steinbrück knapp vorn, mal Merkel. Das ist für einen
       Kandidaten, der aus einem tiefen Loch klettern muss, ein echter Erfolg.
       Gabriel zitiert eine weitere Umfrage, nach der Steinbrück bei noch
       unentschiedenen Wählern gar 19 Prozentpunkte vorn gelegen habe.
       
       Das ist eine Kernbotschaft, die der SPD-Chef senden will: Sehr viele
       Menschen entscheiden sich erst kurz vor der Wahl. Und das Lager der
       Unentschiedenen ist so groß, dass es die scheinbar uneinholbare Merkel noch
       gefährden kann.
       
       Allerdings weiß Gabriel auch, dass seine SPD vom Idealzustand des Swing
       noch weit entfernt ist. Seine vorsichtige Antwort ist auch ein kluges
       Erwartungsmanagement.
       
       Zu abgeschlagen ist die SPD in Umfragen, zu sehr sitzt ihr Steinbrücks
       Pannenserie in den Knochen, zu offensichtlich sind Diskrepanzen zwischen
       Kandidat und Programm. Und am Ende ist doch höchst fraglich, ob ein zum
       Großevent aufgeblasenes Medienereignis tatsächlich Wahlentscheidungen
       relevant beeinflusst.
       
       Gleiche Frage an Jürgen Trittin, Spitzenkandidat der Grünen, mit dem
       Gabriel im Herbst ein Bündnis schmieden will. War das Duell ein Wendepunkt?
       Auch Trittin antwortet vorsichtig. Bei 17 Millionen Zuschauern sei es
       zumindest für die „Wahlentscheidung nicht ohne Bedeutung“, sagt er. Merkels
       demokratieschädliche Strategie, den Leuten zu suggerieren, sie bräuchten
       gar nicht zur Wahl zu gehen, sei jetzt durchbrochen.
       
       Gabriel und Trittin sind sich also im Grunde einig. Dieses TV-Duell hat
       gezeigt, dass sich viele, wirklich viele Menschen für Politik
       interessieren. Und es hat für Rot-Grün einen Moment der Offenheit erzeugt.
       
       Ein Wechsel scheint zumindest wieder denkbar. Mehr ist es nicht. Aber auch
       nicht weniger.
       
       2 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrich Schulte
       
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